Die „historischen Fehler“ des Königs

von Redaktion

Neue Ausstellung über Ludwig I. widmet sich auch Schattenseiten – Ostbayern vernachlässigt

Das Plakat zur neuen Ludwig-Ausstellung. © HDBG

Unzufrieden mit Ludwig: Direktor Loibl. © Aigner

Genial mit vielen Schattenseiten: König Ludwig I. im Könungsornat (unbekannter Künstler). © HDBG

Regensburg – Dipferlscheißer. Das Wort scheint Richard Loibl auf der Zunge zu liegen, während er darüber parliert, dass Ludwig I. ein detailversessener Mensch war. Selbst darum, ob der Heizer in der Bibliothek nun eine Livree tragen solle oder nicht, habe sich der bayerische König höchstpersönlich gekümmert. Oder um die Farbe von Eisenbahnwaggons.

„Bi doch a weng lockerer. Wos hod der denn?“, ruft Loibl zurück durch die Jahrhunderte in den Donausaal. Dorthin hat der Direktor des Museums der Bayerischen Geschichte eine kleine Besucherschar zum Vorabbesuch der diesjährigen Bayerischen Landesausstellung geladen, die am Samstag im Museum der Bayerischen Geschichte Regensburg für Besucher öffnet (bis 9. November; regulärer Eintritt 10 Euro).

Die titelgebende Frage, ob Ludwig I. nun der größte bayerische König war oder nicht, beantworten bei diesem Rundgang weder Loibl noch Rainhard Riepertinger, heuer zum letzten Mal Projektleiter der Landesausstellung. Man soll sich wohl selbst ein Bild machen.

Freilich hat Ludwig einiges bewirkt, als er 1825 nach Kriegen, Revolutionen und Umwälzungen ein fast bankrottes Königreich übernahm. Fabriken hat er gebaut und die Gesundheitsfürsorge angekurbelt. Klöster wurden von ihm wiederbegründet, um das drohende sozial- und bildungspolitische Desaster zu stoppen. Kunst und Architektur erlebten unter Ludwig I. einen Aufschwung – Walhalla, Befreiungshalle, die Regensburger Domtürme, das Münchner Siegestor. Und auch die Eisenbahn von Lindau nach Hof wurde unter ihm ins Werk gesetzt, auch wenn der König nicht wirklich ein Freund dieses neuen Verkehrsmittels gewesen sei, sagt Riepertinger.

Von Lobhudelei oder gar monarchistischem Kitsch aber ist diese Landesausstellung weit entfernt, zumindest wenn man von Loibl durch die Stationen begleitet wird. Der gebürtige Niederbayer nimmt es dem schillernden Monarchen merklich übel, wie stiefmütterlich er den ostbayerischen Raum behandelt hat.

Klostergründungen im Bayerischen Wald – Fehlanzeige. Den Anschluss der dortigen Glas- und Granitindustrie an den Rest von Bayern – verpasst. Bauten abseits der Befreiungshalle – gibt es nicht. „Für Ostbayern war Ludwig I. ein abgehobener Herrscher, der sich abgewandt hatte.“ Nicht ausgespart wird Ludwigs zunehmend autoritärer werdendes „Regierungsgehabe“ und seine Einschränkung von Meinungs- und Pressefreiheit. Der Bau des Ludwig-Main-Donau-Kanals sei „voll in die Hose gegangen“, sagt Loibl. Angesichts von über 100 Schleusen sei es schneller gewesen, über die Weltmeere zu schippern. „Das war das erste Private-Public-Partnership-Projekt, das gescheitert ist. So wie alle folgenden.“

Bei der Präsentation arbeitet die Landesausstellung mit allen Medien und Liebe zum Detail. Historische Dokumente, Exponate und Gemälde, deren genauere Betrachtung etwa Ludwigs zwiespältiges Verhältnis zu Verfassung und Parlament zeigen. Aber auch den steigenden Unmut angesichts der Affäre Ludwigs mit Lola Montez, unter deren Rock sitzend er dargestellt wurde. Eine Medieninstallation zeigt den König im Laufe der Zeit, ungeschönt, mit den einst noch retuschierten Pockennarben, die Ludwig zu einem Verfechter von Impfungen machten. Für Jüngere oder historisch nicht beschlagene Besucher beantworten kleine Filmchen im WhatsApp-Stil die „wichtigsten Fragen“, so Loibl. Etwa: „Nein, Ludwig I. ist nicht im Starnberger See ertrunken und er hat auch nicht Schloss Neuschwanstein erbaut.“

Einen „historischen Fehler“ habe Ludwig I. begangen, als er sich 1848 gegen die Revolution gestellt habe. „Er hätte die Leitperson werden können, nach der damals gesucht wurde. Das hat er völlig verpennt.“ So dankte Ludwig ab und Bayern wurde ins preußisch dominierte deutsche Reich gezwungen – militaristisch, undemokratisch. Lernen könne man aus alledem so einiges, meint Loibl. Vor allem: „Monarchie ist ab und zu ganz schön. Aber als Regierungssystem ist es nicht mehr zeitgemäß.“ Das werde man auch bald in den USA sehen.
STEFAN AIGNER

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