Schlierseer Pflegeskandal: Anklage erhoben

von Redaktion

Ermittelt wird gegen drei ehemalige Heim-Mitarbeiterinnen – Prozessbeginn steht noch nicht fest

Schliersee – Die Seniorenresidenz Schliersee im Kreis Miesbach wurde vor knapp vier Jahren wegen schwerer pflegerischer Missstände geschlossen. 17 Bewohner waren dort zu Tode gekommen. Nun hat die Staatsanwaltschaft Anklage gegen drei ehemalige Mitarbeiterinnen erhoben – gegen die Heimleiterin, die Leiterin der Hauswirtschaft und die Pflegedienstleitung. Ermittelt wird wegen des Verdachts auf Körperverletzung in 101 Fällen. Die Liste der Vorwürfe ist lang: Wunden sollen nicht richtig versorgt worden sein, Bewohner seien dehydriert oder abgemagert gewesen. Eine Mitschuld am Tod von 17 Bewohnern können die Ermittler allerdings niemandem nachweisen.

Den drei Angeklagten wird vorgeworfen, zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit an Personal, Pflegematerialien und Nahrungsmitteln gespart zu haben – mit dem Wissen, dass damit eine ordnungsgemäße Versorgung der Bewohner nicht mehr möglich ist. Es sei beispielsweise nicht mehr genug Personal da gewesen, um die Senioren bei der Nahrungsaufnahme oder den Toilettengängen zu helfen. Viele Bewohner hatten Wundliege-Verletzungen.

Das Landgericht München II muss nun entscheiden, wann es zur Hauptverhandlung kommt. Gegen eine Mitarbeiterin der Heimaufsicht wurden die Ermittlungen inzwischen eingestellt. Ihr habe kein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten nachgewiesen werden können. Der Miesbacher Landrat Olaf von Löwis (CSU) ist erleichtert darüber. „Die Heimaufsicht steht nun nicht mehr so im Fokus.“ Trotzdem müsse man kritisch an sich arbeiten und Abläufe gegebenenfalls optimieren. Martina Hasseler ist Professorin für Pflegewissenschaften und hatte für die Staatsanwaltschaft ein Gutachten geschrieben. In diesem System könne man nie etwas kausal nachweisen, obwohl mehrere Prüforgane beteiligt sind, kritisierte sie. Auch der Medizinische Dienst, die Pflegekasse und die Heimaufsicht hätten Verantwortung dafür, dass so etwas nicht passiere. Doch einer verweise nur auf den anderen. Martina Hasseler sagt: „Man ist diesem System ausgeliefert.“
JONAS NAPILETZKI

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