Faulhabers Konklave-Tagebuch

von Redaktion

Münchner Forscher veröffentlichen Reisebericht von der Papstwahl 1922

Zum Konklave: Die erste Seite des Reisetagebuchs © Ifz

Michael von Faulhaber im Kardinalsornat. © Erzbischöfl. Archiv

München – Das Konklave ist bekanntlich streng geheim. Nichts darf bei einer Papstwahl nach außen dringen, die Wahlzettel werden verbrannt. Insofern spannend ist da, was der Münchner Kardinal Michael von Faulhaber, von 1917 bis zu seinem Tod 1952 Erzbischof von München-Freising, seinem Tagebuch anvertraut. Faulhaber war ein besessener Tagebuchschreiber. Als im Januar 1922 Papst Benedikt XV. starb, wurde er zum Konklave nach Rom gerufen – und hinterließ in Gabelsberger Kurzschrift dazu ein Reisetagebuch, das Forscher vom Münchner Institut für Zeitgeschichte (IfZ) nun transkripiert haben.

Mit dem Zug ging es damals in einer 27-stündigen Reise nach Rom. Auffällig ist, dass das Konklave viel länger dauerte als heute, nämlich fünf Tage und 14 Wahlgänge. dabei waren es nur 53 Kardinale (heute 133), die unter ihresgleichen den Papst wählten. Bei dieser Papstwahl handelte es sich, so Philipp Gahn vom IfZ, um nichts weniger als eine Richtungswahl. Durch Forschungen weiß man heute, dass sich zunächst zwei Gruppen unerbittlich gegenüberstanden: Auf der einen Seite die konservativen Hardliner mit ihrem Kandidaten Pietro La Fontaine aus Venedig und auf der anderen Seite die gemäßigten Reformer um Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri, die sich aber gegenseitig blockierten. Schließlich konnte ein Kompromisskandidat die erforderliche Zweidrittelmehrheit auf sich vereinen: Achille Ratti, der Erzbischof von Mailand, der sich den Namen Pius XI. (1922–1939) gab.

Beim zweiten Wahlgang an diesen Tag, so schreibt Faulhaber, fiel die Entscheidung. „Als Ratti zum 36. Mal verlesen wurde, konnte sich Gasparri nicht enthalten zu rufen: Habemus Pontificem.. Es war 11.10 Uhr.“ Ratti, der fünf Sitze neben Faulhaber saß, „kreuzt die Hände und schaut stumm wie eine Statue vor sich hin“. Dann drängten alle heran. „Der Dekan fragt nach einer festen Formel: Acceptas – eine lange Pause. Alles hält den Atem.“ Vielen Kardinälen, so bekennt Faulhaber, „stehen unter Weihe des Augenblicks die Tränen in den Augen“. Ratti selbst habe dann „mit zitternder Stimme“ den Ruf „trotz meiner Unwürdigkeit“, wie er bescheiden sagte, angenommen. „Die Kardinale knien sich nieder und küssen den Ring.“. Dann wurde der neu gewählte Heilige Vater in die Sakristei geführt, angekleidet und nach einer halben Stunde wieder zu den Kardinälen geführt, wo er „die erste Adorazione“ empfing – also die Ehrerbietung. Die Kardinäle küssten seinen rotbeschuhten Fuß und seine Hand, tauschten den Friedenkuss aus. Faulhaber war offenbar gerührt, dass ihn der Papst auf Deutsch ansprach: „Gott segne Sie in München und ganz Bayern!“ Ob er Ratti persönlich auch gewählt hat, vertraute Faulhaber selbst seinem Tagebuch nicht an. Anzunehmen ist es aber.
Dirk Walter

Artikel 2 von 11