Auf Station 21 der Schön Klinik wird die Vier-Tage-Woche praktiziert: Pflegedienstleiterin Corina Klumpp, Stationsleitung Janine Leshchanka (2. und 3. v. r.) besprechen im Team den Dienstplan, Klinikleiter Tim Egger (Mitte) schaut zu. © Yannick Thedens
München – Tim Egger hat ein Problem, von dem andere Klinik-Geschäftsführer nur träumen können. Er bekommt mehr Bewerbungen von Pflegekräften, als er freie Stellen hat. Seit Kurzem führt er sogar eine Warteliste. Das hätte er sich vor zwei Jahren noch nicht vorstellen können. Damals musste die Schön Klinik in Harlaching wie die meisten anderen Pflegeeinrichtungen noch mit Leiharbeitskräften die Dienstpläne auffüllen.
Vergangenes Jahr hat die Klinik ein Pilotprojekt gestartet, um die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte attraktiver zu machen. Auf der orthopädisch-unfallchirurgischen Station können Pflegekräfte von einer Acht-Stunden-Schicht zu einer Zwölf-Stunden-Schicht wechseln. Das bedeutet, dass sie nur noch vier Tage pro Woche arbeiten müssen – und drei Tage frei haben. Die Pflegekräfte selbst hatten diesen Wunsch geäußert, berichtet die Pflegedienstleiterin Corina Klumpp. Denn viele von ihnen hatten bereits in Ländern wie Österreich oder Italien gearbeitet, wo die Vier-Tage-Woche in der Pflege längst Alltag ist.
Nach acht Monaten zieht die Klinik eine erste Bilanz zu dem Pilotprojekt – und die fällt durchweg positiv aus. 15 von 20 Pflegekräften auf der Station hatten die Vier-Tage-Woche ausprobiert, niemand wollte danach zurück ins alte Modell wechseln, berichtet Klumpp. Inzwischen würden sogar auch ältere Mitarbeiter darüber nachdenken, die anfangs befürchtet hatten, die langen Schichten könnten zu anstrengend werden. „Für viele ist es einfach eine große Entlastung, mehr freie Tage zu haben.“
Auch auf anderen Stationen der Schön Klinik ist die Nachfrage nach dem Vier-Tage-Modell groß. Eine ist bereits nachgezogen, eine dritte wird im Juni zur Zwölf-Stunden-Schicht wechseln. Dafür ist zum einen die Zustimmung des Betriebsrats notwendig. Der hat aber bereits grünes Licht für die unbefristete Verlängerung des Projekts gegeben. Voraussetzung ist, dass der Wechsel ins Vier-Tage-Modell für alle Mitarbeiter freiwillig bleibt. Außerdem braucht die Klinik eine Genehmigung des Gerwebeaufsichtsamtes. In anderen europäischen Ländern ist es einfacher, die Vier-Tage-Woche einzuführen. Denn sie haben in ihrem Arbeitszeitgesetz bereits eine Ausnahmegenehmigung für Krankenhäuser.
Nicht nur von den Pflegekräften sind die Rückmeldungen positiv, berichtet Klumpp. „Auch von den Patienten haben wir nur positives Feedback bekommen.“ Sie finden es gut, dass sie länger die gleichen Ansprechpartner haben und spüren, dass mehr Zeit für die Pflege bleibt, sagt Klumpp. Denn eine Übergabe fällt komplett weg – und damit auch eine mögliche Fehlerquelle.
Für die Stationsleiter ist es allerdings eine kleine Herausforderung, Dienstpläne aufzustellen – sowohl für Mitarbeiter im Zwölf-Stunden-, als auch im Acht-Stunden-Modell. Auch die Vier-Stunden-Kräfte arbeiten an manchen Tagen acht Stunden, damit sie ihre Wochenarbeitszeit nicht überschreiten. Deshalb habe auch nicht jeder jede Woche drei freie Tage, erklärt Klumpp. „Aber im Schnitt sind es im Monat fünf bis sechs freie Tage mehr.“ Das bedeutet für viele nicht nur mehr Lebensqualität. „Pendler sparen sich dadurch nicht nur Zeit, sondern oft auch Geld.“
Das wirkt sich auch auf die Krankheitstage aus, berichtet Tim Egger. „Sie sind zurückgegangen, seit wir die Vier-Tage-Woche anbieten.“ Er bekommt Anrufe von Kliniken aus ganz Deutschland, die sich erkundigen, wie das Pilotprojekt läuft, erzählt er. Auch die Berufsverbände seien interessiert – genau wie Bayerns Pflegeministerin Judith Gerlach (CSU), sie möchte ebenfalls informiert werden, wie es läuft. Egger räumt ein, dass es für eine orthopädische Klinik natürlich einfacher sei als für eine Unfallklinik, auf Zwölf-Stunden-Schichten umzustellen. Andererseits betont er: „Wir haben nicht festgestellt, dass die Konzentration durch die längere Arbeitszeit nachlässt.“
Janine Leshchanka leitet eine Station, die das neue Modell bald anbieten möchte. Sieben von 18 Pflegekräften würden gerne die Vier-Tage-Woche ausprobieren, erzählt sie. „Und ich gehe davon aus, dass noch mehr Mitarbeiter nachziehen werden.“ Für sie selbst kommt die Umstellung wegen der Betreuungszeiten ihres Sohnes nicht infrage. Aber für andere Eltern könnte das Angebot ein Betreuungsproblem lösen, glaubt sie.