Die Stunde der Helden

von Redaktion

Ministerpräsident Söder ehrt bayerische Lebensretter in der Residenz

Rettete das Leben einer Frau: Martin Bauer.

Tolle Geschwister: Marie und Philip aus Starnberg.

Die Helden von Aschaffenburg werden von Ministerpräsident Söder als eigene Gruppe geehrt. © Oliver Bodmer (3)

München – Helden tragen Zahnspange, Turnschuhe, Uniform oder ihr bestes Gewand. Am Montagnachmittag sitzen sie alle auf Polsterstühlen im Antiquarium der Residenz in München. Hier, im schönsten Saal, den Bayern laut Markus Söder zu bieten hat, zeichnet der Ministerpräsident Lebensretter aus. „Wer einen Menschen rettet, rettet die ganze Welt“, sagt Söder. „Sie haben die Welt gerettet.“

Es sind unglaubliche Geschichten, die während der Feierstunde vorgetragen werden. Die von Martin Bauer aus Nandlstadt (Kreis Freising) zum Beispiel. Er ist 2023 mit dem Lastwagen unterwegs, als ihm auf seiner Spur ein Kleintransporter entgegenkommt. Die Fahrzeuge krachen zusammen, der Transporter fängt Feuer. Bauer rennt hin, befreit die Beifahrerin. Er versucht auch noch, den Fahrer zu retten. Vergeblich. „Ich habe mein Bestes gegeben“, sagt Bauer nach der Ehrung. Als Feuerwehrmann und Rettungssanitäter kennt er solche Situationen. „Aber wenn es einen selber trifft, ist es doch heftiger.“

Unter den Helden sind viele junge Menschen. So wie Marie (12) und Philip (10) Nowaschewski aus Starnberg. Im Juni 2023 sind die Geschwister mit ihren Eltern im Strandbad. Plötzlich geht alles ganz schnell: Marie sieht, dass ein Bub ohne Schwimmhilfe im Nichtschwimmerbereich ins Tiefe springt. Philip, der im Wasser ist, merkt, wie jemand nach ihm greift. Marie springt hinterher, zusammen halten sie das Kind über Wasser, bis ihre Eltern zu Hilfe eilen. Der Vater rennt mit dem Buben zum Bademeister, ein Hubschrauber fliegt den Vierjährigen in ein Krankenhaus, er überlebt. „Mein Herz hat ganz schön geklopft“, sagt Marie. Und den Weg von ihrem Platz zum Ministerpräsidenten ganz vorne im Saal gehen die beiden ebenfalls mit ordentlich Puls: „Ich wusste gar nicht, was ich sagen soll“, sagt Philip hinterher. Stolz zeigt er neben Medaille und Urkunde auch die Uhr her, die er und seine Schwester bekommen haben.

Viele Retter haben ihre Angehörigen dabei. Robert Schlemer (40) aus Gstadt am Chiemsee ist mit seiner Frau da, sie war auch dabei, als er einem Studenten aus Istanbul das Leben gerettet hat. Sommer 2023. Schlemer kennt den Strand gut, er ist hier aufgewachsen. Als er Hilfeschreie hört, rennt er zum Steg, springt ins Wasser. Unglaubliche vier Meter tief taucht Schlemer. „Ich dachte, den finde ich nie“, sagt er, „das Wasser war so trüb.“ Doch er sieht etwas aufblitzen, packt zu – es ist die Badehose des Studenten. Leben gerettet. Gänsehaut. Auch Ulrike Henze, Zahnärztin aus München, ist eine Heldin. Im Juli 2023 kommt sie bei Dießen an einen Unfall. Ein Auto brennt, Menschen stehen drum herum. „Das hat mich wahnsinnig gemacht“, erinnert sich Ulrike Henze. „Dass die da stehen und keiner hilft.“ Ulrike Henze streicht sich damals die Haare aus dem Gesicht, atmet tief durch und greift in das brennende Auto. Sie schnallt die Frau auf dem Fahrersitz ab, zieht sie raus. Dann kommen ihr drei Zeugen zu Hilfe. Auch sie – Tina Steiger, Simon Tüpke und Sabine Weigl – werden geehrt. Für jeden Helden wird geklatscht.

Besonders lange dauert der Applaus, als Oliver Gehring-Kirchberger nach vorne geht. Er ist der Bruder eines Helden, dessen Geschichte viele kennen: Kai-Uwe D. Der Familienvater hat sich dem Angreifer von Aschaffenburg entgegengestellt, als der Afghane im Januar mit einem Messer auf eine Kita-Gruppe losging und einen Zweijährigen tötete. „Ein unvorstellbares Verbrechen“, sagt Söder. D. bezahlte seine Zivilcourage mit seinem Leben, für ihn nimmt der Bruder die Auszeichnung entgegen. Es werden weitere Helden aus Aschaffenburg geehrt: Eine Ärztin, die zufällig vorbeikam und versuchte, das Kind zu reanimieren. Zwei Mitarbeiter des Garten- und Friedhofsamts, die mit Erste-Hilfe-Koffern und Gartengeräten zum Tatort eilten. Der somalische Flüchtling, der den Täter verfolgte, bis die Polizei kam. „Ohne Sie alle“, sagt Markus Söder, „wäre es noch viel schlimmer geworden.“
CARINA ZIMNIOK

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