Mit dem Gleitschirm war Göttler schon im Himalaya unterwegs. Jetzt will er vom Gipfel des Nanga Parbat starten.
„Ich kann nicht anders“: David Göttler hat schon sechs Achttausender bestiegen. Am Nanga Parbat ist er allerdings schon vier Mal gescheitert. Heuer wagt er einen neuen Anlauf. © Privat (2)
Er ist einer der mutigsten Bergsteiger der Republik: David Göttler hat bereits sechs Achttausender erklommen. Im Sommer will der Münchner den „Schicksalsberg der Deutschen“ besteigen, den 8125 Meter hohen Nanga Parbat im Himalaya-Gebirge. Von dort will er mit dem Gleitschirm abfliegen. Das hat vor ihm noch keiner geschafft. Im Interview berichtet er über Todesangst und warum er sich immer neuen Abenteuern stellt.
Wie haben Sie angefangen, auf die höchsten Berge der Welt zu steigen?
In den Ferien waren meine Eltern, meine Schwester und ich immer nur im Camper unterwegs. Ich kannte nur Schlafsack und Sternenhimmel. Meine Eltern sind noch voll aktiv. Meine 80-jährige Mutter Marlies macht am Vormittag 1000 Höhenmeter am Berg, mein Vater Ernst fliegt im Sommer Gleitschirm, kraxelt, klettert. Im Winter macht er Skitouren. Das Bergsteigen und die Klettertouren habe ich quasi mit der Milchflasche aufgesogen.
Wie sieht der ideale Höhenbergsteiger aus?
So wie ich. Im Ernst: Ich bin 1,72 Meter groß, wiege 64 Kilo. Das sind schon ideale körperliche Voraussetzungen, wenn man auf einen Achttausender schnell hoch möchte. Genetisch habe ich das Glück, dass ich die Höhe sehr gut vertrage. Im Tal rennen mir die Trail-Läufer um die Ohren. Aber kaum vernichtet man ein paar tausend Höhenmeter und durchbricht die 5000er-Höhenmarke, passierte es immer wieder, dass ich mich umdrehe, denke: „Wo sind die denn alle?“
Sie standen bereits mit dem Gasherbrum II, Broad Peak, Makalu, Lhotse, Dhaulagiri und Everest auf sechs Achttausendern. Was ist Ihre genaue Bergsteiger-DNA?
Leicht und kompromisslos auf die höchsten Berge zu steigen, alles ganz puristisch. Das bedeutet: keine Sherpas, kein Sauerstoff und – wenn es geht – auch keine Fixseile. Für mich ist das die reinste und schönste Form des Bergsteigens. Ich eifere da etwas meinen Vorbildern Peter Bordman und Joe Tasker nach. Leider sind sie – wie viele meiner Freunde wie Ueli Steck oder Hansjörg Auer – am Berg ums Leben gekommen. Immerhin, so tröste ich mich, haben sie dort oben ein würdiges Grab gefunden. Bei jeder Expedition ist mir das Risiko bewusst. Aber ich kann nicht anders.
Sie haben schon viermal versucht, den Nanga Parbat zu besteigen. Immer vergeblich. Ist das nicht ein Zeichen?
Wenn wir nicht zuversichtlich wären, würden wir nicht dorthin fahren. Ich bin mir sicher, dass wir gute Chancen haben, durchzugehen und am Ende auf dem Gipfel zu stehen. Wir werden uns wie kleine Kinder freuen. Meine Seilpartner Boris und Tiphaine sind Franzosen. Wir planen in gut fünf Tagen vom Basislager bis zum Gipfel zu kommen. Dort oben werden sich unsere Wege aber trennen. Boris und Tiphaine sind tolle Steilwandfahrer, sie fahren vom Nanga ab, ich fliege mit dem Gleitschirm runter.
Ist von dem 8125 Meter hohen Berg jemals schon jemand runtergeflogen?
Meines Wissens nicht. Bei meinen letzten Versuchen bin ich mehrmals schon von rund 6000 Meter runtergeflogen, was schon so unglaublich für mich war. Als ich 2023 geflogen bin, war ich vor Ehrfurcht erstarrt. Das Himalaya-Gebirge unter mir, neben mir – das war so unfassbar schön, so unfassbar beeindruckend. Wenn ich dort runterfliege, fühle ich mich wie in einem magischen Film. Aber einfach wird es natürlich nicht. Es gibt dort so viele Parameter, die sich ständig ändern. Es gibt klimatisch einen Unterschied zwischen Start und Landung. Oben am Berg können 30 Grad minus, unten plus 30 Grad sein. Dennoch wüsste ich aus heutiger Sicht nicht, was gegen einen Flug sprechen würde. Wenn es allerdings nicht geht, dann laufe ich halt runter.
Wie lange dauert der Flug?
Ich rechne mit 20, 25 Minuten. Zu Fuß brauche ich 48 Stunden. Wenn alles gut geht, starte ich – und eine halbe Stunde später halte ich eine Tasse Kaffee und ein Käse-Omelette in den Händen…
…was eine herausragende Leistung wäre. Sie wären auch der erste Deutsche, der vom Schicksalsberg der Deutschen geflogen wäre. Und damit einer der ganz wenigen, die überhaupt von einem Achttausender geflogen sind.
Ich ziehe meinen Hut vor dem, was andere geschafft haben. Aber für mich geht es immer darum, ob ich meine eigene Grenze verschieben kann und nicht, ob andere das schon geschafft haben. Ich mache das nur für mich. Ob ich am Ende der erste Deutsche, der erste Bayer war: ganz egal!
Was fühlen Sie, wenn Sie an den Nanga Parbat denken?
Mein Puls beschleunigt sich, ich bekomme Herzklopfen. Ich freue mich heute schon, wenn ich bald wieder bei ihm sein kann. Das hört sich für Außenstehende komisch an. Viele Bergsteiger haben eine Beziehung zu dem einen oder anderen Berg. Bei mir ist es der Nanga Parbat.