Spritzen gegen Gänseplage

von Redaktion

Dreck am Seeufer: Jetzt werden Eier unfruchtbar gemacht

Mit einer Spritze behandelt André Winkel in Nürnberg das Ei einer Wildgans. So soll die Population tierschutzgerecht kontrolliert werden. © Daniel Löb/dpa

Graugänse am Tegernsee-Ufer: Die Hinterlassenschaften sorgen für Unmut. © THOMAS PLETTENBERG

München/Nürnberg – Laut schnatternd verlässt die Kanadagans ihr Nest und bringt sich auf dem See in Sicherheit. Mitarbeiter der Stadt Nürnberg haben den Wasservogel aufgescheucht. An diesem Tag kontrollieren sie die Gelege auf einer Insel im Wöhrder See östlich der Innenstadt. Manche davon sind mit einem Kreuz markiert. Andere haben ein kleines Einstichloch. Ein Gänseküken wird aus ihnen nicht mehr schlüpfen. Mit einer speziellen Methode haben die Fachleute das Ei unfruchtbar gemacht: eine Art Geburtenkontrolle, damit die Gänseschar nicht zur Plage wird.

Der Wöhrder See in Nürnberg ist beispielhaft für ein Problem, das viele Städte in Deutschland haben. In den warmen Monaten zieht es Sonnenbadende und Sportbegeisterte in Scharen an Gewässerufer. Doch auch Graugänse, Kanadagänse und Nilgänse fühlen sich dort sehr wohl – und hinterlassen ihren Kot am Strand, auf den Liegewiesen und Fußwegen. Die Herrschinger Bucht am Ammersee, der Karlsfelder See im Kreis Dachau, mehrere Uferabschnitte am Tegernsee – an all diesen Orten sorgten Massen von Wildgänsen und deren Hinterlassenschaften in den vergangenen Jahren immer wieder für Ärger.

Vor einigen Jahren eskalierte es wegen der Verschmutzungen in Nürnberg: „Die Bürger gingen auf die Barrikaden“, erzählt André Winkel vom städtischen Servicebetrieb Öffentlicher Raum. Die Stadt gab die Gänse zum Abschuss frei, machte nach Protesten aber einen Rückzieher und testete stattdessen in einem Forschungsprojekt der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) die Behandlung der Gelege. „Wir wollten ein tierschutzgerechtes Verfahren entwickeln, das sich gut in der Praxis umsetzen lässt und effektiv ist“, sagt LfL-Gänsemanager Christian Wagner.

Mittlerweile sind auch in vielen anderen Orten in Bayern speziell geschulte Kräfte für die „Gelegebehandlung“ im Einsatz. In Nürnberg ist an dem Tag ein Jäger aus dem nahe gelegenen Herzogenaurach dabei, der sich das Verfahren zeigen lassen will. In der Brutsaison von März bis Mai ist ein Team dafür ständig am und auf dem See unterwegs: Im vergangenen Jahr galt es, 78 Gelege zu kontrollieren. In diesem Jahr sind es nach einer vorläufigen Auswertung etwas mehr.

In jedem Gelege lassen die Fachleute jeweils zwei Eier unberührt, die sie mit einem Kreuz markieren. Die übrigen Eier werden in einem speziellen Kasten durchleuchtet, um das Entwicklungsstadium zu erkennen. „Bis zum 14. Tag kann man diese behandeln“, sagt eine Expertin, die nach dem vielen Ärger um die Gänse ihren Namen lieber nicht veröffentlicht sehen möchte. Die Eier werden angestochen und mit einer Kanüle verunreinigt, so dass sie sich nicht mehr entwickeln. Danach kommen alle Eier zurück in das Gelege. Das Ziel: So soll der Brutplatz unattraktiver für eine erneute Ansiedlung werden.

Martin Rümmler vom Naturschutzbund Deutschland sieht die Behandlung von Gelegen dennoch kritisch. „Das ist im Vergleich zur Jagd natürlich eine tierschonendere Art, um die Bestände zu regulieren.“ Die Ausbreitung der Nilgans werde man dadurch aber nicht verhindern können. „Damit kann man nur regional den Bestand stabil halten. Doch das ist aus Sicht des Nabu eigentlich unnötig, denn die Bestände regulieren sich von selbst.“ Wenn an einer Stelle zu viele Wildgänse seien, wanderten diese in andere Gebiete ab und suchten dort nach Nahrung, sagt er.
DPA/MM

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