Hans Söllner in seinem Heimatort Bad Reichenhall. © kp
Bad Reichenhall – Wenn Hans Söllner schimpft, klingt es wie ein Gstanzl mit Presslufthammer. Bayerisch, laut, sarkastisch – und oft mitten ins Herz einer Debatte. Diesmal richtet sich der Zorn des rebellischen Liedermachers gegen einen Gebührenbescheid seiner Heimatstadt Bad Reichenhall, die ihm 92,99 Euro für die Reinigung seiner Straße, einer Sackgasse, in Rechnung stellt. Für Söllner ist das ausgemachter „Blödsinn“ – für die Stadt rechtlich notwendig.
Am 24. April flattert Hans Söllner der Gebührenbescheid ins Haus: 31 Euro für das zweite Halbjahr 2024, 61,99 Euro für das aktuelle Jahr: Fällig für die Reinigung seiner Straße, berechnet nach der Quadratwurzel seiner Grundstücksfläche (395 Quadratmeter), multipliziert mit einer Reinigungsklasse. Für Söllner die reinste Provokation.
Seine Antwort: ein offener Facebook-Brief an die Stadt, gewürzt mit Spott und Wut. „Was fällt Ihnen ein?“, schreibt er und fragt, ob der Bescheid auf dem letzten Sommerfest nach der zweiten Maß erfunden wurde. Er bietet an, die Straße selbst zu kehren – „mit einem Besen, wie es sich gehört“, leise und ohne Gestank. „Unsere Straße befindet sich nicht in einem Slum der Dritten Welt“, schreibt Söllner, „wir schmeißen unseren Müll nicht vors Haus wie in Berlin oder Hamburg, sondern entsorgen ihn, wie es sich gehört.“ Den Bescheid wolle er fachgerecht in der Blauen Tonne entsorgen.
Was folgt, ist ein digitaler Widerhall, der selbst für Söllner-Verhältnisse außergewöhnlich ist: über 650 Mal geteilt, mehr als 570 Kommentare unter seinem Beitrag. „Moderne Wegelagerei“, beklagt jemand. Ein anderer schreibt: „Quadratwurzel aus 395? Da waren echte Mathematiker am Werk!“ Mehrere Nutzer regen sich über Bürokratie, Steuerverschwendung oder den aus ihrer Sicht absurden Aufwand auf. Doch es gibt auch Gegenstimmen. „Im Rest von Deutschland ist das völlig normal“, heißt es von einem Nutzer. Oder: „Wenn es gratis ist, sagt keiner Danke – wenn’s was kostet, regen sich alle auf.“
Im Rathaus reagiert man gelassen. Hans-Werner Zauner, Kämmerer der Stadt, erklärt, die Gebühr sei rechtlich längst überfällig. Schon 2016 habe das Landratsamt empfohlen, die Straßenreinigung nicht mehr aus dem allgemeinen Haushalt zu finanzieren. Der Stadtrat beauftragte die Verwaltung, ein Modell zu entwickeln. Rückwirkend zum 1. Juli 2024 trat dieses in Kraft.
Die Berechnung erfolgt nach einem standardisierten Modell: Quadratwurzel der Grundstücksfläche mal Reinigungshäufigkeit. 244 000 Euro will die Stadt so in diesem Jahr einnehmen. Elf formale Rechtsbehelfe gingen bereits bei der Stadt ein, dazu viele Beschwerden. Vor allem wird moniert, dass die Kehrmaschine seltener komme als angegeben. Man prüfe das alles, heißt es beim Kämmerer.
Und auf Söllners Wutbrief reagiert das Rathaus mit Humor. Auf Nachfrage lässt die Verwaltung wissen: „Wir möchten Herrn Söllner herzlich zu einem Praktikum auf dem Städtischen Bauhof einladen, um sich ein besseres Bild über die tatsächlichen Arbeitsfelder und Aufgabenbereiche unserer Bauhofmitarbeiter zu verschaffen.“ Ob der Liedermacher darauf eingehen wird, bleibt offen. Eine Nachfrage bei ihm blieb unbeantwortet. Doch klar ist: Zwischen Kehrmaschine und Kostenkalkulation hat sich eine Debatte entsponnen. Söllner jedenfalls hätte genug Stoff für neue Strophen.
KILIAN PFEIFFER