„Kirche ist kein Wellness-Tempel“

von Redaktion

Evangelische Landeskirche diskutiert in Tutzing über Orientierung in schwierigen Zeiten

Tutzing – „Dieser Ort steht für Weite, Austausch und Aufbruch“: Der evangelische Landesbischof Christian Kopp hatte am Mittwochabend zum Jahresempfang der Landeskirche in die Evangelische Akademie Tutzing eingeladen und zur Diskussion über Orientierung in unsicheren Zeiten aufgefordert. „Wir leben in einer Zeit, die für uns alle große Zumutungen bereithält: politisch, existenziell, digital.“ Die Menschen reagierten unterschiedlich darauf: einige zögen sich zurück, andere seien wütend und gingen aufeinander los. Der christliche Glaube lade dazu ein, Spannungen auszuhalten und Brücken zu bauen. Darin sehe die Landeskirche ihren Auftrag.

Wie kann Kirche die Gesellschaft mitgestalten in einer Zeit, in der Haltung zähle und nicht Lautstärke? Wie Streiten angemessen funktionieren kann, darum drehten sich an diesem milden Frühlingsabend die Gespräche unter den gut 200 Gästen aus Kirche, Politik und Gesellschaft. „Ganz offensichtlich sind Kirche und Glaube eben doch nicht egal“, stellte Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) fest und verwies auf die aktuelle Debatte darüber, wie politisch Kirche sein darf. Die Welt stehe vor enormen Herausforderungen, da sei jeder gefragt, der einen Beitrag leisten kann. Insbesondere die Institutionen, zu deren Auftrag es gehöre, den Kräften der Angst etwas entgegenzusetzen. „Ich finde, dass die Kirchen in unserem Land dafür ein großartiges Angebot haben.“ Es gehe jetzt darum, das Land wirtschaftlich wieder nach vorne zu bringen. Der bekennende Protestant versicherte aber den Kirchen, dass die bayerische Staatsregierung nicht daran denke, Feiertage abzuschaffen. „Wir sind sicher, es gibt wichtigere Vorschläge dafür, wie Deutschland mehr leisten kann.“

Mit der Politikwissenschaftlerin Julia Reuschenbach von der Freien Universität Berlin und Jörg Lauster, Professor für Systematische Theologie an der LMU München, wurden anschließend gesellschaftliche Entwicklungen diskutiert: Dass sich viele Menschen abgehängt und übersehen fühlen, dass Demokratisierungsprozesse immer anstrengender würden, Achtsamkeitsdebatten teils narzisstische Züge trügen. Lauster rief die Kirche dazu auf, sich auf ihr Kerngeschäft, die Seelsorge, zu besinnen. „Lebensberatung ist zu wenig. Wir sind nicht für Wellness zuständig. Wer in den Gottesdienst kommt, um sich besser zu fühlen, sollte besser in die Sauna gehen.“
CLAUDIA MÖLLERS

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