Schon wieder in Rosenheim: Farid S. wird in einem Polizei-Transporter zur Dienststelle gebracht. © Thomas Gautier
Auch auf den Land- und Nebenstraßen wie hier in Kiefersfelden macht die Bundespolizei nun stichprobenartige Kontrollen.
An der A93 bei Kiefersfelden wird seit 2015 kontrolliert. Die meisten Aufgriffe gibt es in Reisebussen. © Marcus Schlaf (2)
Rosenheim – Um 16.12 Uhr gibt Farid S. auf. Der 30-jährige Afghane sitzt im REX2 nach Innsbruck, neben seinem schwarzen Koffer. Zweimal hat er an diesem Tag versucht, nach Bayern einzureisen – zweimal hat ihn die Bundespolizei Rosenheim daran gehindert. Noch mal will er es nicht probieren. „Die stecken mich sonst in den Knast“, sagt er und kreuzt die Hände, als ob man ihm Handschellen anlegen würde.
Das erste Mal wird Farid S. an diesem Tag in einem Flixbus auf der A93 am Grenzübergang Kiefersfelden erwischt. Es ist 5 Uhr morgens, als der Fernbus an der Kontrollstelle rausgewunken wird. Die Bundespolizisten kontrollieren hier seit 2015. Sie überprüfen Kofferräume oder Ladeflächen. 45 Prozent der Migranten, die versuchen, ohne Papiere einzureisen, greifen die Polizisten in den Bussen auf. 30 Prozent kommen in Zügen über die Grenze, der Rest in Autos und Transportern. Der Flixbus aus Italien fährt ohne Farid S. weiter an diesem Morgen, der Afghane wird in die Dienststelle der Bundespolizei gefahren, dort werden seine Personalien aufgenommen.
Noch vor Kurzem hätte die Bundespolizei einen Dolmetscher organisiert und Farid S. befragt, wenn er an der Grenze das Wort Asyl gesagt hätte. Dann wäre er nach München zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weitergeleitet worden und sein Asylverfahren hätte begonnen. Doch seit der neue Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) die Kontrollen an der Grenze verschärft hat, passiert das nur noch in Ausnahmefällen. Alle Migranten, die durch einen sicheren Drittstaat einreisen – und das sind an den deutschen Außengrenzen alle –, werden nun zurückgewiesen. Außer es handelt sich um Schwangere, Kinder oder Schwerkranke. Die Zurückweisungsquote lag schon zuvor bei 50 bis 60 Prozent, nun trifft es fast jeden. An diesem Tag auch Farid S.
Ein paar Stunden nach seinem Einreiseversuch wird der 30-Jährige im Polizeiauto zum Bahnhof Kiefersfelden gebracht. Die Beamten warten mit ihm am Gleis, bis der Regionalzug nach Österreich einfährt. Zuvor haben sie ihre österreichischen Kollegen informiert, dass sich in dem Zug ein zurückgewiesener Migrant aus Deutschland befindet. Für die Beamten ist der Fall Farid S. damit erledigt. Doch Farid S. gibt noch nicht auf.
Im österreichischen Kufstein steigt er um 11.02 Uhr in den RB54 Richtung München. Niemand hält ihn davon ab, in Kufstein warten keine Polizisten auf ihn. Der Zug fährt los, erster Halt auf deutscher Seite ist Kiefersfelden. Hier steigen zwei Beamte der Bundespolizei Rosenheim zu – ganz hinten, genau dort, wo Farid S. sitzt. Wieder wird er nach seinem Ausweis gefragt, wieder kann er keine Papiere vorzeigen. Wieder endet seine Reise kurz hinter der Grenze auf der Polizei-Dienststelle.
Auch die Züge sind seit 2015 durchgehend kontrolliert worden. Nun noch intensiver – doch Bundespolizei-Sprecher Rainer Scharf betont: „Wir hatten auch vorher schon den Anspruch, jeden Fernzug zu kontrollieren.“ Durch die zusätzlichen 3000 Bundespolizisten, die nach und nach als Verstärkung dazukommen sollen, gibt es mehr Kapazitäten. Rund 50 Mal am Tag steigen die Rosenheimer Bundespolizisten in Kufstein und Scharnitz in Züge – ICEs, Railjets und Regionalbahnen. Stichprobenartig fragen sie die Reisenden nach ihren Papieren – wer wie Farid S. keinen Ausweis dabeihat, muss aussteigen.
Auch auf den Land- und Nebenstraßen machen die Bundespolizisten Kontrollen. Das trifft auch viele Einheimische, die hier unterwegs sind. Die Kontrollen sind Stichproben. Mit ihrem Diensthandy überprüfen die Bundespolizisten die Papiere, werfen manchmal einen Blick in den Kofferraum oder lassen die Fahrer verdunkelte Fenster öffnen, um die Rückbank sehen zu können. Die Kontrolle dauert nicht mal eine Minute. Auch vorher war die Bundespolizei auf den Nebenstrecken sporadisch unterwegs, nun ist sie an allen relevanten Übergängen präsent.
Währenddessen steigt Farid S. zum zweiten Mal an diesem Tag in Kufstein aus dem Zug und zündet sich eine Zigarette an. Wieder ist die österreichische Polizei zwar informiert worden, aber wieder nimmt ihn niemand in Empfang. Das österreichische Innenministerium lässt die Anfrage unbeantwortet, wie man mit den Zurückweisungen aus Deutschland künftig umgehen will. Farid S. könnte es nun noch ein drittes Mal probieren, wieder in einen Zug nach Bayern steigen und hoffen, dass der diesmal nicht kontrolliert wird. Aber ihm reicht‘s. Auf Gleis 22 steigt er in den Regionalexpress nach Innsbruck. „Ich fahre zurück nach Italien“, sagt der 30-Jährige resigniert. In Tarent, ganz im Süden, habe er in der Landwirtschaft gearbeitet. „Ich wollte in Deutschland Asyl – aber das geht nicht.“ Als sein Zug in Kufstein losfährt, stehen am Bahnsteig gegenüber zwei deutsche Polizisten. Sie warten auf den einfahrenden Zug nach Bayern – für die nächste Kontrolle.