KOLUMNE ZUM THEMA DEMENZ

Vereinbarkeit von Beruf und Pflege

von Redaktion

Pflegeverantwortung, Berufstätigkeit, Partnerschaft und Familienleben – Angehörige, die einen Menschen mit Demenz begleiten, stehen vor enormen Aufgaben und Anforderungen und haben Schwierigkeiten, diesen gerecht zu werden.

Erst kürzlich sagte mir eine Klientin: „Lange Zeit habe ich einfach funktioniert und nicht bemerkt, wie tief ich in die Überforderung hineingerutscht bin. Irgendwann musste ich mir eingestehen, dass ich nicht gleichzeitig eine Führungsposition ausfüllen und meine Mutter angemessen begleiten kann.“

Keine Pause, kein Aufatmen, kein „Jetzt bin mal ich dran“. Die Verantwortung ist rund um die Uhr spürbar, emotional wie organisatorisch.

Pflege – ein blinder Fleck in vielen Unternehmen?

Was auffällt: Während Kinderbetreuung längst mitgedacht wird, fehlt diese Struktur für pflegende Angehörige fast vollständig. Pflege passiert leise und „nebenher“. Angehörige, mit denen ich arbeite, erzählen von Nachtwachen, von Konflikten mit Kollegen, von schlechtem Gewissen gegenüber den Bedürfnissen ihrer Familie. Pflegende Angehörige (überwiegend sind es Frauen), reduzieren ihre Arbeitszeit oder geben den Beruf ganz auf. Andere funktionieren einfach irgendwie weiter – bis nichts mehr geht.

Kaum jemand spricht im Unternehmen offen über die eigene Situation. Die Angst ist groß: vor Unverständnis, vor Stigmatisierung, vor Nachteilen im Job. Hier sind dringend neue Kommunikationswege in Unternehmen nötig. Ein offenes Ohr seitens der Führungskraft, ein betriebliches Gesundheitsmanagement oder auch Pflegelotsen, machen es den Betroffenen leichter, sich anzuvertrauen. Gemeinsam lassen sich so individuelle und flexible Lösungen für beide Seiten finden. Schließlich ist es auch für Unternehmen unglaublich kostenintensiv, wenn Mitarbeiter pflegebedingt ausfallen oder selbst erkranken.

Was Betroffene jetzt brauchen

Pflegende Angehörige brauchen nicht nur im privaten Umfeld Verständnis und Unterstützung. Sie brauchen auch Unternehmen, die menschlich agieren und Strukturen schaffen, die ein offenes Miteinander zulassen, sonst verlieren sie ihre Mitarbeiter. Meine Klientin hat tatsächlich den Job gewechselt, um Pflege und Beruf unter einen Hut zu bringen. „Auch wenn das nicht einfach war. Es war definitiv die richtige Entscheidung für mich und meine Mutter“, sagt sie.

Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Thema gemacht? Schreiben Sie mir gerne an vonbohlen@desideria.org.

*Désirée von Bohlen und Halbach ist Gründerin und Vorstandsvorsitzende des Desideria e.V.

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