Das Hotel zwischen den Welten

von Redaktion

Ein Besuch in der Luxus-Herberge Charles im Bahnhofsviertel

Das Hotel hat eine markant geschwungene Fassade. © Charles

Direktor Florian Steinmaier im Hotelrestaurant mit echten Olivenbäumen. © Marcus Schlaf

München – Stellen Sie sich vor, Sie betreiben ein Hotel in München. Superluxusklasse, toller Ruf in aller Welt, bloß in der eigenen Stadt wird das nicht recht wahrgenommen. Dann meldet sich Adele, die Star-Sängerin, die grad eine Konzert-Serie in München plant und gern bei Ihnen wohnen würde. Und was machen Sie? Absagen! Ihre besten Räume sind nämlich schon vergeben – an Chris Martin, den Sänger von Coldplay, der gleichzeitig in München auftritt. Also schade, tut uns leid, nächstes Mal gern. So ist das 2024 im Charles-Hotel passiert, dem Fünf-Sterne-Haus an der Sophienstraße. Aus Hoteliers-Sicht einerseits ein klares „Wer ko, der ko“ – weil wer kann schon einen Weltstar brüskieren? Andererseits haben die Leute im Charles aber halt wieder mal zuschauen müssen, wie ein anderes Haus Schlagzeilen mit einem Star macht (in diesem Fall das Rosewood).

Aber mei, Regeln sind eben Regeln. „Bei uns gibt’s keinen Superstar-Bonus, gebucht ist gebucht“, sagt Florian Steinmaier. Er ist der General Manager im Charles. Damit hat er die Oberhoheit im Haus mit der geschwungenen Fassade, mit 160 Zimmern und Suiten, mit feinem Restaurant und elegantem Spa. Und, ja, mit einem Problem-Park direkt vor der Haustür. Denn das Charles liegt am Alten Botanischen Garten. Also an jener Fläche, die 2024 kaum im Zusammenhang mit Genuss vorkam, sondern fast ausschließlich im Zusammenhang mit Gewalt. Ein kriminelles Eck: Von Drogenhandel über Vergewaltigung bis hin zum Mord hat die Polizei hier fast alles registriert, was das Gesetz an Straßenkriminalität hergibt.

Das kann dem Direktor einer Luxus-Herberge nicht gefallen. „Die Stadt München sollte sich diesen Park zurückholen. Wir müssen ihn bespielen, mit Kultur, mit Sport, mit Leben“, sagt Steinmaier. Das „Wir“ schließt sein Haus mit ein. Das Charles beteiligt sich an einer Arbeitsgruppe, in der unter anderem auch das Innenministerium, das Park-Café und die Polizei beteiligt sind. Ideen und Ergebnisse gibt‘s schon einige, etwa Sträucher-Rückschnitt, Video-Überwachung und Sportplätze. Die Situation ist schon deutlich besser geworden, aber dieser Trend muss sich in Steinmaiers Augen verstetigen. In Gesprächen mit dem Innenminister und Vertretern der Stadt hat man ein gemeinsames Dokument und Vorgehen besprochen: Dazu gehört auch ein Verbot des Mitführens von Drogen, Alkohol und Waffen im Park – was maßgeblich zur Verbesserung der Situation beigetragen hat.

Dabei müsste sich das Hotel nicht zwingend so engagieren. Das Charles ist Teil der Rocco-Forte-Gruppe. Eine Reihe von höchstpreisigen Luxus-Hotels gehört dazu, die Gäste bleiben dem Unternehmen oft über Ländergrenzen hinweg treu. Und aus, sagen wir, London oder Palermo ist ihnen die Nähe des puren Luxus zur gefährlichen Großstadt nicht neu. Dass man direkt vor der Hoteltür auf Obdachlose trifft: Alltag. München soll und will da aber trotzdem anders sein.

Keine Sonderwege gibt‘s dagegen kulinarisch: Rocco Forte hat da seine ehernen Gesetze. Steinmaier erzählt: „Als wir hier in München einen neuen Küchenchef bekamen, haben wir ein Treffen mit Fulvio Pierangelini arrangiert.“ Der ist „Creative Director of Food“, also Küchenchef aller Küchenchefs. „Dann haben die beiden zusammen gekocht, Nudeln mit Tomatensauce. Fulvio hat angekündigt, dass er die Tomaten zupft.“ Der neue Münchner Küchen-Mann schaute skeptisch und schnitt die Tomaten, weil „was soll das für einen Unterschied machen?“ Am Ende machte es aber doch einen Unterschied. Denn, so Steinmaier: „Handgezupfte Tomaten haben eine andere Textur, und das ergibt dann auch einen anderen Geschmack.“ Ja: Man darf das dekadent finden. Genauso wie die Tatsache, dass die Tomaten aus Sizilien eingeflogen werden. Ergibt dann für einen Teller Pasta einen Preis von 30 Euro. Der Markt dafür ist da: Es ist das meistbestellte Gericht im Hotelrestaurant Florio. Hier haben sie übrigens grad umgebaut, ebenso schick wie gemütlich. In der Mitte stehen zwei echte Olivenbäume, Kostenpunkt 20 000 Euro, die eine eigene Beleuchtung mit der richtigen Lichtfarbe haben. Und weil wir schon bei Zahlen sind: Ein Zimmer im Charles gibt’s ab 450 Euro, langfristig sieht Steinmaier den Einstiegspreis aber eher bei 650. Das sei im internationalen Vergleich eh noch günstig: „In London oder New York können Sie eine 1 davorschreiben.“

Ja: Man kann sie schon hören, sehen und spüren, die Dekadenz, mit direktem Blick auf den Alten Botanischen Garten. Man kann aber auch das Gefühl haben: Hier versucht einfach jemand, der perfekte Gastgeber zu sein. Davon hat sich übrigens auch Adele überzeugen lassen, trotz der Suite-Absage. Sie kam zum Abendessen ins Charles.
STEFAN SESSLER, ULI HEICHELE

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