Der Attentäter bei der Festnahme wenige Minuten nach der Tat.
Wollten heiraten: die ermordeten Yaron Lischinsky und Sarah Milgrim.
Trauernde mit Israel-Fahnen zünden am Tatort in Washington vor dem Jüdischen Museum Kerzen an. © MANDEL NGAN/afp
Nürnberg/Washington – Nach dem Anschlag auf zwei Mitarbeiter der israelischen Botschaft in Washington wächst die Sorge, dass es auch in Deutschland Gewalt gegen Juden geben könnte. Laut Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) hat sich die „Gefährdungslage“ weiter verschärft. CSU-Innenexperte Stephan Mayer warnte sogar vor konkreten Anschlägen. „Die Bilder der Gewalt, der Hass und die Hetze bei Anti-Israel-Protesten und das explosive Bündnis zwischen Linksextremisten, Islamisten und Israel-Hassern können bei uns zu einer kompletten Eskalation führen“, sagte er der „Bild“. „Terror-Anschläge aus der Palästina-Szene wie zu Zeiten der RAF halte ich nicht für ausgeschlossen.“ Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erklärte indes, die Sicherheitslage werde von der bayerischen Polizei als unverändert angesehen. Aktuell gehe man davon aus, dass es sich um eine lokale Eskalation in Washington gehandelt habe.
Die Trauer ist auch in Bayern groß. Die Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) in München, Bettina Nir-Vered, legte Blumen vor der Münchner Synagoge nieder und sprach von einer „extrem bestürzenden Nachricht“. Der ermordete Yaron Lischinsky (30) war im Raum Nürnberg aufgewachsen, ehe er mit seiner Familie im Alter von 16 Jahren nach Jerusalem auswanderte. Sein Vater stammt aus Argentinien und war jüdischen Glaubens, seine Mutter jedoch nichtjüdisch. Da im Judentum traditionell die Religion der Mutter maßgeblich ist, bezeichnete sich Lischinsky wie auch seine fünf Geschwister als Christ. Die ganze Familie „hat jedoch aus christlicher Perspektive den Staat Israel unterstützt“, sagt Gerald Hetzel, Vorsitzender der DIG Passau, gegenüber unserer Zeitung. Er hat Lischinsky einmal getroffen – dieser war Gründungsmitglied des DIG-Jugendforums, zusammen engagierten sie sich für den Aufbau einer DIG-Jugendgruppe in Tel Aviv und organisierten Stammtische für junge Israelis, die Interesse an Deutschland hatten.
Lischinsky leistete wie auch seine Geschwister den Wehrdienst in der israelischen Armee ab und studierte. 2022 wechselte er in die israelische Botschaft nach Washington, wo er wohl seine Freundin Sarah Milgrim (26), eine Jüdin, die aus Kansas stammte, kennen- und lieben lernte. Sie wollten heiraten – doch am Mittwoch gegen 21 Uhr Ortszeit in Washington endete jäh das junge Glück: Der Attentäter Elias Rodriguez (31) erschoss die beiden auf offener Straße, wobei er, wie jetzt bekannt wurde, kaltblütig vorging. Er hatte sich den beiden von hinten genähert und dann das Feuer eröffnet. Ermittler stellten am Tatort eine Pistole vom Kaliber 9 Millimeter und 21 verbrauchte Patronenhülsen sicher. Er schoss noch auf das Paar, als es längst am Boden lag. Dann lud er nach und nahm speziell erneut Sarah Milgrim ins Visier, die versuchte, schon getroffen wegzukriechen. Der Schütze war am Tag zuvor mit dem Flugzeug nach Washington gekommen, seine Pistole hatte er für den Flug ordnungsgemäß angemeldet und mit sich geführt.
Laut „Jüdischer Allgemeine“ gab es ein von Rodriguez verfasstes „Manifest“. Es ist auf den 20. Mai datiert und als Brief an seine Eltern und seine kleine Schwester formuliert. Rodriguez spricht darin von „unbeschreiblichen und unermesslichen Gräueltaten der Israelis gegen Palästina“. Diese würden ermöglicht „durch die Komplizenschaft westlicher und arabischer Regierungen“.
Der mutmaßliche Täter wird nun wegen Mordes angeklagt. Das Verbrechen werde zudem als Hassverbrechen und als möglicher Terrorakt untersucht, sagte die amtierende Staatsanwältin für die US-Hauptstadt, Jeanine Pirro. Der Haftrichter habe für den 18. Juni eine Anhörung in dem Fall festgesetzt. Es handle sich um Verbrechen, die mit der Todesstrafe geahndet werden könnten.
DIRK WALTER