Das Projekt seines Lebens: Martin Bosch mit einem Foto der Grotte aus dem Jahr 1886, das als Vorlage diente.
Die Venusgrotte von Schloss Linderhof strahlt in neuem Glanz, im April wurde sie offiziell eröffnet. Das der Opernfigur Tannhäuser gewidmete Schmuckstück, einst erdacht von Ludwig II., lockte in den ersten Wochen schon 15 000 Besucher an – fast alle sind begeistert von der Schönheitskur. Für Martin Bosch, den Baureferenten der Schlösserverwaltung, war es das bedeutendste Projekt seines Lebens, verrät er.
Was ist in der Venusgrotte jetzt schöner als vorher?
Das Erlebnis ist intensiver, der Raumeindruck wieder authentisch wie früher. Die Beleuchtung ist raffinierter, die Farbigkeit des großen Tannhäuser-Gemäldes leuchtender, die Gewässer perfekt in Szene gesetzt. Das bestätigen viele Besucher, die die Grotte gut von früher kennen.
Der Plan für die zehnjährige Sanierung war, den Originalzustand zu Zeiten des Kini wiederherzustellen. Wie sind Sie dabei vorgegangen?
Alte Fotos, Entwurfszeichnungen und auch Rechnungen haben uns geholfen. Manches war im Original einfach weg und musste neu hergestellt werden, etwa die Lotusblüten im See. Auch die Girlanden aus 14 000 Blüten haben wir nach Fotos wiederhergestellt.
Was ist in der Grotte noch original, was haben die Augen des Kini gesehen?
Die Tropfsteine und Felsen sind zum größten Teil im Original erhalten, ebenso das Tannhäuser-Gemälde. Auch original ist die Glasscheibe hinter der Blauen Grotte links neben dem Bild, durch die das Wasser beleuchtet wird, sodass der berühmte Capri-Effekt entsteht. Ludwig II. hat hierfür das erste elektrische Kraftwerk der Welt installiert. Die Anlage wurde allerdings schon vor über 100 Jahren erneuert. Auch der Muschelkahn wurde schon 1910 neu gebaut, denn der erste war aus Holz und nicht sehr langlebig. Es wurden damals Teile des Originals weiterverwendet, die heute noch zu sehen sind. Den Sitz haben wir allerdings neu gemacht.
Was ist die gelungenste Rekonstruktion?
Der Kristallthron links über der Szenerie war nur noch als Ruine vorhanden, sein Korallenbaum nur noch ein Stumpf. Zur Wiederherstellung haben wir glücklicherweise Entwürfe von 1876/77 gefunden. Von einer Zeichnung des Korallenbaums dachte man bisher, dass sie einen Tischleuchter zeigt. Von wegen, das Kunstwerk gehört zu dieser Höhle und ist vier Meter hoch. Auch den Muschelthron haben wir nachgebaut. Ein Glücksfall war die Regenbogenmaschine des Bühnenbauers Gustav Adolf Behr. Wir hatten nur eine Abbildung zur Verfügung, doch unser Bauforscher Alexander Wiesneth entdeckte in der Leipziger Oper einen baugleichen Originalapparat aus dem 19. Jahrhundert. Den durften wir ausleihen und danach unsere Regenbogenmaschine bauen.
Besucher schwärmen von der neuen Beleuchtung.
Ja, sie erzeugt völlig unterschiedliche Stimmungen. In der Führung zeigen wir rote und blaue Beleuchtung, aber Ludwig II. hatte auch Gelb, Violett, Grün und Rosa zur Verfügung. Die Originalfarben konnten wir gut rekonstruieren, weil wir während der Bauarbeiten farbige Glasscherben gefunden haben. Mit deren Hilfe haben wir die alten Gaslichter als LED-Leuchten nachgebaut. Der Kini nutzte in der Grotte laut Berichten und Rechnungen auch blau leuchtende Seidenballons, Öllampen und Kerzen. Aber wir wollten nicht zu viel fantasieren. Allerdings haben wir uns erlaubt, didaktische Lichter einzubauen – Spotlichter, die in der Führung etwas hervorheben.
Was war die größte Schwierigkeit?
Die Instandsetzung der zwei großen Stützsäulen, die wie in der Mitte zusammengewachsene Stalagmiten und Stalagtiten. Eine steht im See, die zweite in der Höhle. Sie wurden vom Putz befreit, bekamen Metallschalen, die kompliziert verschweißt werden mussten. Anschließend musste der Hohlraum mit Mörtel gefüllt werden, der beim Verhärten nicht heiß werden und nicht schrumpfen durfte.
In technischen Dingen sind Sie vermutlich auf neuere Methoden umgestiegen?
Klar. Die Wellenmaschine wird nicht mehr per Hand betrieben, wie zu Ludwigs Zeiten, sondern hat einen Motor bekommen. Wichtig ist modernere Technik für die Stabilität. Es war vor allem Feuchtigkeit, die die Korrosion der Grottenwände und Stalaktiten verursacht hat. Wir haben den Höhlenraum gegen den feuchten Hang abgedichtet. Außerdem haben wir Drainagen gelegt und eine Lüftung installiert, die die Luftfeuchtigkeit auf 70 bis 80 Prozent senkt. Im Ein- und Ausgangstunnel haben wir große Teile der Wände neu aufgebaut. Anschließend haben Bildhauer und Stuckateure die typische Höhlenoberfläche mit Tropfsteinen nachgebildet. Für den Glitzereffekt wurden Muskovit-Plättchen aufgetragen.
Die Sanierung hat um die 59 Millionen Euro gekostet. Amortisiert sich diese Investition durch Eintritte?
Schloss Linderhof zieht viele Besucher an, aber die Eintrittspreise sind mit 13 Euro für Schloss und Grotte doch recht moderat – eine Amortisierung wird daher schon eine gewisse Zeit dauern. Aber die Grotte sollte jetzt auch erst mal Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhunderte halten.
Was bedeutet die Venusgrotte für Bayern und für die Welt?
Sie ist die größte naturrealistische Grotte des 19. Jahrhunderts, sie verkörpert in herausragender Weise Ludwigs II. Suche nach der perfekten Illusion. Und sie ist ein Aushängeschild Bayerns.
Hatten Sie einen persönlichen Glücksmoment in der Grotte?
Ja, tatsächlich. Im März, als alles an die Schlösserverwaltung übergeben wurde, habe ich vorher mit dem Steuerungs-iPad allein eine Runde durch die Grotte gemacht und alle Lichtspiele, Musiken und Wasserspiele durchprobiert. Das war nach Jahren der Arbeit ein Genuss! Auch wenn es viele schöne Aufgaben in den bayerischen Schlössern gibt, die Venusgrotte ist das bedeutendste und schönste Projekt meines Lebens.