Er studiert noch zwei Semester in Harvard: Michael Gritzbach. © FYNN TASTIC
Er hat seinen Master: Max Bauer bei der Abschlussfeier in Harvard. © Han Le
Die propalästinensischen Demonstrationen in Harvard zu Beginn des Gaza-Krieges haben Donald Trump gegen die Elite-Uni in Boston aufgebracht. © Getty
Boston/München – Max Bauer hat sich den Moment oft vorgestellt, wie es sein würde, seinen Harvard-Abschluss in der Tasche zu haben und mit seinen Kommilitonen zu feiern. Die Prüfungen hat er geschafft – doch die vergangenen Tage war nicht sicher, ob es eine Abschlussfeier geben würde. Donald Trump hat in der Elite-Universität in Boston einiges durcheinandergewirbelt. Der US-Präsident hatte wie berichtet angekündigt, Visaverfahren für ausländische Studierende zu stoppen (siehe Kasten). 27 Prozent der Harvard-Studenten sind keine US-Amerikaner, 549 sind Deutsche. Einer von ihnen ist Max Bauer aus Ampfing im Landkreis Mühldorf. Sein Studium ist seit der Abschlussfeier am Donnerstag zwar offiziell beendet, aber wie es mit seiner Arbeitsberechtigung in den Vereinigten Staaten weitergeht, ist gerade nicht absehbar. Zuletzt hatte eine US-Bundesrichterin Trumps Vorhaben zwar vorläufig gestoppt, eine endgültige Entscheidung in dem Fall steht allerdings noch aus.
Max Bauer hat in München bereits Medizin studiert und nun in Harvard einen Master in Public Policy gemacht. „Ich hätte mir gut vorstellen können, erst mal im Harvard-Umfeld zu bleiben und in den USA zu arbeiten“, sagt der 32-Jährige. Doch nun gibt es einen Einstellungsstopp, weil Trump der Elite-Uni Fördergelder gestrichen hatte. Max Bauers Visum hätte zwar noch ein paar Jahre Gültigkeit, aber er fürchtet, seine Arbeitsberechtigung zu verlieren. Deshalb hat er mögliche Berufspläne in den USA aufgegeben, er wird zurückkehren nach Europa, kündigt er an. Nach seinem Medizinstudium hatte er bereits im bayerischen Gesundheitsministerium gearbeitet. Er könnte sich vorstellen, nach Berlin oder Brüssel zu gehen. Das USA-Kapitel in seinem Leben hat Donald Trump beendet.
Viele andere Studenten haben Angst, dass sie nicht mal mehr ihr Studium in Harvard beenden dürfen. „Die Ungewissheit belastet viele“, sagt Bauer. „Einige haben Angst, sie könnten direkt vom Campus aus abgeschoben werden.“
Michael Gritzbach hat noch zwei Semester in seinem Studiengang Public Administration vor sich. Danach wollte er ein Jahr im Silicon Valley arbeiten – auch um die hohen Studiengebühren von 180 000 Dollar wieder reinzuarbeiten. Der Abschluss in Harvard war sein großer Traum. Mit viel Disziplin und Ehrgeiz hat der 30-Jährige darauf hingearbeitet. Er ist in einem kleinen Dorf bei Erlangen aufgewachsen, hat dort die Hauptschule besucht, später das Abi nachgemacht und in verschiedenen Ländern studiert. Er war in China, als Corona ausbrach, in Großbritannien während des Brexits – jetzt ist er in Harvard, während Trump der Elite-Uni den Kampf ansagt.
„Die Stimmung ist sehr angespannt“, erzählt der 30-Jährige. Auch bei den Studenten, die bereits gültige Visa haben und für den Moment sicher seien. Härter trifft es angehende Harvard-Studenten, die ihre Zusage von der Uni bereits haben, aber noch auf ihr Visum fürs Wintersemester warten, erklärt Gritzbach. Harvard würde sich extrem verändern, wenn die ausländischen Studenten wegfallen. An der Harvard Kennedy School, an der er studiert, machen sie rund 50 Prozent aus, sagt er. Nicht nur, dass einige Kurse wegbrechen würden. „Es würden auch Studiengebühren und damit viel Geld fehlen, das in Forschungsprojekte fließt.“
Trumps Kampfansage gegen Harvard beschäftige nicht nur Studenten, sondern viele Menschen in Amerika, sagt Gritzbach. „Für uns Studenten geht es um die nächsten Jahre, für sie geht es darum, wie es mit ihrem Land und der Demokratie weitergeht.“ Sein Visum ist noch bis nächsten Sommer gültig – und dann eigentlich für drei Jahre, in denen er in den USA arbeiten dürfte. Diese Arbeitsgenehmigung ist jetzt gefährdet, sagt er. Michael Gritzbach denkt deshalb bereits über Alternativen zum Silicon Valley nach. „Auch in Europa gibt es spannende Unternehmen“, sagt er.
Auch Max Bauer berichtet, dass die meisten ausländischen Studenten seines Abschlussjahrgangs konkrete Pläne hatten, in den USA zu arbeiten. Das ändert sich jetzt, viele sehen sich wegen Trump nach Alternativen um. „Es zerschlägt uns in alle Welt und wir fragen uns, ob und wann wir uns wiedersehen werden.“
KATRIN WOITSCH