München – Die schulische Inklusion, also das Unterrichten behinderter Kinder an Regelschulen, ist immer noch ein Politikum. 2009 verpflichtete sich Deutschland zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Doch weiterhin besucht der Großteil behinderter Schüler Förderschulen. Fast alle Parteien wollen Inklusion fördern, bekennen sich daneben aber auch zu Förderschule etwa für Kinder mit Mehrfach-Behinderungen.
Doch es gibt auch extreme Gegenpositionen: Die AfD nennt die Förderschule sogar den „Regelfall“, ihr rechtsextremer Thüringer Vorsitzender Björn Höcke hält Inklusion für ein „Ideologieprojekt“ und bezeichnete behinderte Schüler in Regelschulen als „Belastungsfaktor“.
Viele Lehrkräfte halten einen gemeinsamen Unterricht von Kindern mit und ohne Behinderung unter den aktuellen Bedingungen in der Tat aktuell nicht für umsetzbar, aber aus ganz anderen Gründen. Das zeigt jetzt eine bundesweite Forsa-Umfrage im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung, zu dem auch der BLLV in Bayern gehört. „Der Lehrkräftemangel ist der Hauptgrund, warum Kolleginnen und Kollegen sich gegen eine gemeinsame Unterrichtung aussprechen“, sagte BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. Nur 26 Prozent der Lehrer in Bayern halten sie derzeit für praktikabel.
Dabei nimmt das Verständnis für Inklusion zu. 2015 waren nur 49 Prozent der Lehrer in Bayern dafür, in der jüngsten Umfrage sprachen sich schon 61 Prozent für Inklusion aus. Es gebe eine „echte Haltungsveränderung“, sagte Fleischmann. Sie deckt sich mit der Verbandslinie. „Der BLLV bekennt sich zum Ziel der schulischen Inklusion“, betonte Sabine Bösl, Leiterin der Abteilung Schul- und Bildungspolitik im BLLV und Grundschulrektorin in Holzkirchen. „Es ist ein Elternrecht“. Gleichzeitig sei man nicht so blauäugig und fordere die Abschaffung von Förderzentren. Man müsse jedes Kind individuell anschauen, sagte Fleischmann. Ihre Zahl – derzeit 87 000 – nehme unstreitig zu. Eine Zielmarke zur Inklusion will sie aber nicht nennen. „Eine Quote wäre kontraproduktiv.“ Derzeit besuchen 35,8 Prozent (31 000) der Schüler mit Förderbedarf in Bayern eine Regelschule – Tendenz langsam steigend.
Oft fehle aber die nötige Doppelbesetzung mit einer sonderpädagogischen Fachkraft, kritisierte der BLLV. Das berichten in Bayern 63 Prozent der Befragten, in ganz Deutschland nur 32 Prozent. „Ich muss als Schulleiterin zur Kollegin sagen: Hier ist das Kind, du wirst schon irgendwie zurechtkommen“, sagte Bösl.
In zwei Drittel der Fälle bleibe in Bayern die Klassengröße unverändert, wenn ein Kind mit Behinderung aufgenommen werde. Auch Unterstützung durch multiprofessionelle Teams aus Sozialarbeitern oder Psychologinnen gebe es in Bayern deutlich seltener. Bösl resümierte: „Wir benötigen ausreichende sonderpädagogische Expertise durch einen bedarfsgerechten Einsatz von Sonderschulkräften an den Regelschulen.“ Es gehe „um echte individuelle Förderung“.
DW