Ein Mann und sein Fahrrad: Georg Fendt würde nie auf ein E-Bike steigen. © Pfeiffer
Bischofswiesen – Wenn andere noch schlafen, zieht er sich wetterfest an, steigt auf sein Fahrrad und fährt los. Sommer wie Winter. Der Untersberg, diese massive Felsgestalt zwischen Bayern und Salzburg, ist sein tägliches Ziel. Einmal drum herum. Jeder Tag wird notiert. Seine Jahreskalender sind voll mit Eintragungen. Allein im April hat Georg Fendt den Berg 30 Mal umrundet. Zwei Stunden, 45 Minuten braucht er dafür im Schnitt.
Der 86-Jährige fährt nicht für Medaillen oder die Öffentlichkeit. Wer ihn morgens etwa an der B 305 sieht – allein, gegen den Wind – sieht einen Mann, für den das Radfahren zum Lebenselixier geworden ist. Kein moderner Tacho, keine Selfies zwischendurch, keine digitale Vermessung seiner Leistung. „Es ist wie eine Sucht. Wenn ich nicht fahren kann, fehlt mir etwas“, sagt er. Es geht ums Durchhalten. Um ein gesundes Leben.
Mit den Abenteuern seines Lebens könnte Fendt viele Bücher füllen. Der gelernte Schlosser arbeitete an Großprojekten überall auf der Welt. Er schweißte Öltanks, montierte riesige Dammröhren. „1965 bin ich ausgewandert“, erzählt er. Vier Jahre blieb er fort, bevor er wieder heimkam. Später arbeitete er bei der Bundeswehr und für die in Berchtesgaden stationierten Amerikaner. Bewegung bestimmte nicht nur seine Freizeit, sondern auch seine Arbeitsbiografie.
Auch sportlich war er nie ein Mann der halben Sachen. Er stand auf dem Matterhorn, erklomm den Monte Kenya, fuhr mit Skiern am Mont Blanc und Monte Rosa. Bergradfahren in Zeiten, als Bergräder noch gar nicht richtig existierten? Für Fendt kein Hindernis, er fuhr mit dem Rennrad und strampelte sich auf dünnen Reifen die Berge hinauf. „Ich bin einfach gefahren“, sagt er.
Dann kam der Einschnitt: eine neue Hüfte. Die Schmerzen machten Skitouren unmöglich. Statt sich zurückzuziehen, sattelte er um – im Wortsinn. Mit 72 Jahren kaufte er sich wieder ein Bergrad. Seither fährt er – konsequent, täglich und kilometerreich. Seine Standardrunde umfasst 49 Kilometer. Sie ist nicht nur körperlich fordernd, sondern für ihn auch gelebte Meditation und ein festes Ritual.
Seine Ausrüstung ist pragmatisch: ein knapp 15 Jahre altes Sommerrad, zwei ältere Winterräder mit Spikes. „Die räumen oft schlecht am Hallthurmer Berg“, sagt er und lacht. Denn Stürze hatte er schon jede Menge. Bremsen, Pedale, Lager – Fendt muss häufig Ersatzteile tauschen. Jedes Jahr braucht er neue Reifen. Ein E-Bike kommt für ihn nicht infrage. „Solange ich so fahren kann, fahre ich meine Räder weiter.“