Zahlreiche Helfer rannten zur Unglücksstelle. Sie konnten nichts mehr für Andrei S. tun. © dpa
Das letzte Bild vor seinem Tod: Andrei S. (Mitte) besuchte mit seinen Freunden István (r.) und Zoltan am Sonntag die Allianz Arena. Dort stürzte er acht Meter in die Tiefe und starb. © privat
Grainau/München – István Kontros kämpft mit den Tränen, während er auf seinen Handybildschirm starrt. Versteinert blickt der 33-Jährige auf ein Foto. Es zeigt ihn mit seinem Bruder und seinem Freund Andrei. Sie sitzen auf den Rängen der Allianz Arena. Feiern und fiebern mit beim Nations League Finale zwischen Portugal und Spanien am vergangenen Sonntag.
Es ist die letzte Aufnahme, die alle gemeinsam zeigt. Als István Kontros in der Verlängerung des Spiels gerade vom Bierholen zurückkam, war es bereits zur Tragödie gekommen. Sein Bruder rief: „Er ist runtergefallen.“ Kontros selbst wollte es nicht glauben, schaute nach unten. Da lag sein Freund.
Andrei S. ist am Sonntag beim Finale vom Mittelrang in der Allianz Arena gestürzt, rund acht Meter in die Tiefe. Er fiel einen Rang nach unten und schlug bei der Pressetribüne auf. Ärzte und Rettungskräfte versuchten noch, ihn zu retten – vergebens. Er starb noch im Stadion. Andrei S. ist nur 34 Jahre alt geworden, sagt sein Freund Kontros.
Der Besuch im Stadion war als Ausflug unter Freunden geplant gewesen. Sie hatten sich in der Arena getroffen, feierten gemeinsam, tranken Bier. Für das Spiel war Andrei S. extra aus Österreich angereist, wo er zuvor gerade unterwegs war.
Istvàn Kontros sitzt zwei Tage nach dem Unglück auf einer Bank vor seiner Gaststätte, dem Wirtshaus zum Dorfbrunnen in Grainau im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Als er von den letzten Stunden mit seinem Freund erzählt, ist er den Tränen nah. Er sitzt genau auf dem Platz, an dem Andrei immer saß. Vor Kontros steht der Bierkrug, aus dem sein Freund immer getrunken hatte – ihn ziert Andreis Name. Bis vor einigen Monaten hatte S. als Koch in dem Wirtshaus von Kontros gearbeitet, viele Jahre lang. Auch danach kam er fast täglich vorbei. Denn er war mehr als nur ein Mitarbeiter: „Er war Familie für mich“, sagt Kontros.
Sie sind gemeinsam in den Urlaub gefahren, ins Stadion gegangen: „Fußball war sein Leben“, sagt Kontros. Er war Fan von dem rumänischen Club Steaua Bukarest. Andrei S. war selbst Rumäne, er lebte aber schon lange in Deutschland. Er wohnte in Grainau, war dort Koch. „Er war immer korrekt, er hat alles für mich getan“, sagt Kontros. Jeden Tag habe er lang und hart gearbeitet. Der Schock sitzt tief, bei all seinen früheren Kollegen. Kontros sagt: „Ich kann immer noch nicht verstehen, wie das passieren konnte.“
Die Polizei geht von einem Unfall aus, S. sei betrunken gewesen. Die Ermittlungen laufen noch. Kontros erinnert sich an den Moment, als er seinen Freund unten auf der Tribüne liegen sah: „Ich bin sofort hingerannt“, sagt er. Die Ordner ließen ihn zu seinem Freund. Um ihn herum standen Ärzte und Helfer. Sie alle konnten nichts mehr für ihn tun. „Als alles vorbei war, durfte ich noch einmal zu ihm hin, um mich zu verabschieden.“
Auch unter Andreis Freunden beim rumänischen Fußballclub Geto-Dacii Garmisch-Partenkirchen ist der Schock groß. „Ich kann es immer noch nicht glauben“, sagt Adrian Lazar. Der 39-Jährige kannte Andrei seit vielen Jahren. Sie trafen sich regelmäßig auf dem Fußballplatz. Die rumänische Community im Landkreis ist eng vernetzt. Andrei sei ein echter Freund gewesen, sagt Lazar. Einer, auf den er sich immer verlassen konnte.