Lebenslang im Spielefieber

von Redaktion

Experte Uli Geißler über neue Trends und zeitlose Klassiker

Gesellschaftsspiele sind nach wie vor beliebt – bei jung und alt. © Picture Alliance

Fürth – Das Spielen boomt – seien es Brett-, Gruppen- oder Computerspiele. Nicht nur Kinder und Jugendliche, auch Erwachsene spielen, was das Zeug hält. Zum heutigen Weltspieltag erklärt der evangelische Diakon und Spielpädagoge Uli Geißler aus Fürth, warum die meisten Menschen so gerne spielen. Geißler ist Autor mehrerer Bücher und Spiele. Seit 2020 ist er im Ruhestand – und spielt mit seinen Enkeln.

Herr Geißler, warum spielt der Mensch?

Der Spieltrieb ist in seinem Wesen angelegt. Tiere spielen auch: Es gibt Aufnahmen von Krähen, die auf einem schneebedeckten Dach abrutschen – und dann wieder hinauffliegen, um noch mal und noch mal zu rutschen. Die Wiederholung zeigt, dass es ein Spiel ist. Das Spiel ist die erste Form der Weltaneignung. Hier droht keine Gefahr, dass eine Handlung Konsequenzen hat.

Wie entwickelt man ein Spiel? Zwei Leute, ein Ball – das läuft automatisch.

Spielentwicklung folgt bestimmten kreativen Techniken. Zwei Leute schießen oder werfen den Ball, das ist die Regel. Ersetzen wir ihn durch einen Karton oder einen Holzklotz, dann funktioniert das plötzlich ganz anders. Es entwickelt sich eine neue Idee und Regel. Beim Militär gibt es realitätsnahe Planspiele.

Macht Monopoly gierig?

Mit Monopoly lernt man Kapitalismus. Am Anfang sind alle gut drauf, doch der Zufall führt dazu, dass das Spiel irgendwann kippt und der Besitzer der Schlossallee alle anderen abzockt. Bei Mensch ärgere dich nicht oder Schach geht es letztlich um kriegerische Auseinandersetzungen, bei denen man den anderen vernichten soll. Hier greift stark der Unterschied zwischen kompetitiven und kooperativen Spielen.

Muss ein Kind verlieren lernen?

Das sagen Eltern oft, aber ich halte den Satz für falsch. Ein Kind muss lernen, mit Niederlagen zurechtzukommen und mit seinen Emotionen umzugehen. Es lernt, dass es nicht immer gewinnen kann, gerade bei Glücksspielen wie dem Kartenspiel Schokohexe oder vielen Würfelspielen. Aber erst mal will jeder gewinnen, das ist gesunder Ehrgeiz.

Sind kooperative Spiele besser?

Spiele, bei denen man gemeinsam etwas erreichen muss, sind im Trend und haben letztlich eine höhere Anforderung an die Spielenden. Früher gab es sehr viele kompetitive Spiele. Die Wege zum Ziel wurden immer komplexer, teilweise sind ganze Geschichten ineinander verwoben. Die Siedler von Catan waren dabei eine Art Zeitenwende.

Was verändert sich durch Videogames?

Handy-Apps, Onlinespiele oder Konsolen – es ist irre, was da grafisch inzwischen möglich ist, teils auch mit KI. Allerdings las ich neulich, dass sich laut einer Studie fast 50 Prozent der jungen Leute in Deutschland einsam fühlen. Manche Spiele fördern die Vereinsamung und haben schlimme Ziele. Fortnite etwa ist eine Mordsschießerei. Der Erfolg mag dem Spieler ein gutes Gefühl geben, aber die Tätigkeit finde ich schlimm.

Können Erfahrungen aus digitalen Spielen nicht auch in der Realität gemacht werden?

Ich habe mal mit Kindern das Spiel Super Mario in die Realität übertragen. Ich habe sie gefragt, was sie daran reizt, in der Turnhalle haben wir das nachgebaut. Hinterher sagten die Kinder: Das war cooler als im echten Spiel. Sie haben gemerkt, dass sie ihr Vergnügen selbst erzeugen können.

Manche halten Spielen für Zeitverschwendung oder gar Weltflucht.

Dann wären auch Beschäftigungen wie Joggen, Meditation oder Musikhören Weltflucht. Wir suchen alle nach Ausgleichsformaten, um das Leben zu bewältigen. Spielen ist Lebensaneignung und Wertvermittlung.

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