Bayerns Himmel weiß-grau

von Redaktion

Wetterphänomen: Rauchpartikel aus Kanada trüben Sicht

Der Ausblick vom Schneefernerhaus am Dienstag. Auch hier ist die Sicht getrübt.

Die Aussicht über den Tegernsee, fotografiert von der Webcam am Dienstag um 18 Uhr auf dem Wallberg.

Die Sonne war am Dienstagabend vielerorts nur hinter einem trüben Schleier zu sehen. Diese Aufnahme machte unsere Leserin Sieglinde Wagner auf dem Hohenpeißenberg.

München – Wer dieser Tage auf einem bayerischen Berggipfel unterwegs ist, hat es gerade mit einem ungewöhnlichen Ausblick zu tun. Die Sicht ist durch einen milchigen Schleier getrübt. Hannes Vogelmann ist Experte für Atmosphärische Umweltforschung am KIT Campus Alpin, das auch die Messstationen am Schneefernerhaus betreibt. „Mein erster Gedanke war, dass wir es mit Saharastaub zu tun haben“, sagt er. Dank der Modellberechnungen, mit denen die Forscher bis zu zehn Tage zurückblicken können, war er allerdings schnell schlauer: Bei dem milchigen Dunst handelt es sich um Rauchpartikel, die durch die Waldbrände in Kanada bis nach Mitteleuropa geflogen sind, erklärt er.

Vogelmann und seine Kollegen messen den Aerosolgehalt in der Luft mit Laserstrahlen. „Wir schießen Laserimpulse in die Atmosphäre und schauen, in welcher Höhe sie zurückkommen“, erklärt er. So können sie die Größe der Partikel bestimmen. Mit einem Phänomen wie diesem haben es die Forscher allerdings nicht sehr oft zu tun. „Es ist ungewöhnlich, dass die Rauchpartikel in bis zu neun Kilometer Höhe in der Luft sind“, sagt Vogelmann. Damit sie eine so weite Strecke zurücklegen konnten, sind großräumige Strömungen nötig – sowohl in Kanada als auch in Europa. „Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, ist größer, wenn es Waldbrände im Norden gibt“, erklärt Vogelmann. Er betont aber: „Das wir es hier so intensiv beobachten können, ist ungewöhnlich.“

Und das wird vermutlich auch die nächsten Tage noch so sein – zumindest so lange die Luftpakete nicht weitergetragen werden. Spätestens der nächste Regen, der fürs Wochenende angekündigt ist, wird die Luft reinigen. „Unter Umständen verschwindet der Rauch schon früher und wird weiter Richtung Osten getragen“, sagt Vogelmann. Laut Deutschem Wetterdienst konzentrieren sich die Auswirkungen hauptsächlich auf den süddeutschen Raum. Die Stadt München hat damit für kurze Zeit einen unerfreulichen Sieg errungen: „Auf einer Live-Rangliste der Großstädte mit der höchsten Luftverschmutzung befand sich München am Dienstagnachmittag auf Platz eins – sogar noch vor der indischen Hauptstadt Delhi“, berichtet der Meteorologe Jan Schenk vom Wetterdienst „The Weather Channel“. Gestern Morgen war die Landeshauptstadt allerdings wieder auf Position 37 zurückgefallen.

Thomas Adam, der Leiter des Instituts für Chemie und Umwelttechnik an der Bundeswehr-Universität in Neubiberg, kontrollierte am Dienstagnachmittag sofort die aktuellen Feinstaubwerte, als er den milchigen Dunst in der Luft bemerkte. Die Feinstaub-Werte schraubten sich bedenklich in die Höhe, berichtet er. Für Feinstaubpartikel mit einem Durchmesser unter zehn Mikrometer wurden Werte um 95 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft erreicht. Zum Vergleich: Die EU-Kommission gestattet durchschnittlichen Tageshöchstwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Die höchste Belastung ist laut Adam am Dienstag zwischen 15 und 18 Uhr aufgetreten. Mittwochmorgen hatten sie fast wieder Normalniveau erreicht, berichtet er. Es bestehe zwar keine unmittelbare gesundheitliche Gefahr, generell seien erhöhte Feinstaubwerte allerdings nicht zu unterschätzen, betont Adam. Beim Einatmen kann Feinstaub tief in die Lunge eindringen und dort Entzündungsreaktionen auslösen. „Umso kleiner und zahlreicher die Partikel in der Luft vorkommen, desto gefährlich sind sie.“ Auch in den nächsten Tagen könnten noch überdurchschnittlich hohe Werte auftreten. „Erst durch den Regen wird die Atmosphäre ausgewaschen.“KATRIN WOITSCH UND TANJA KIPKE

Artikel 1 von 11