Königliches Welterbe?

von Redaktion

Unesco-Kommission berät über Bayerns Märchenschlösser

Vanessa Voit, Bürgermeisterin von Ettal. © TOBIAS SCHWANINGER

Schloss Linderhof liegt im Graswangtal. © IMAGO/Wolf

Ettal/Schwangau – Der Countdown läuft. Bald könnten die Schlösser Neuschwanstein, Herrenchiemsee und Linderhof in Bayern offiziell Unesco-Weltkulturerbe sein. Dann würden sie das gleiche Siegel tragen wie die Chinesische Mauer oder die Pyramiden von Gizeh. Die Welterbe-Kommission in Paris tagt von 6. bis 16. Juli, auch über die deutsche Bewerbung mit den Bauten Ludwigs II. In Bayern wird seit über einem Vierteljahrhundert auf die Auszeichnung hingearbeitet. Zu den 54 deutschen Welterbestätten zählt etwa die Regensburger Altstadt. Teil der exklusiven Liste will auch mal München mit den für die Olympischen Spiele 1972 erbauten Sportstätten werden.

Bekommt Bayerns Schlösserquartett – auch das Königshaus am Schachen ist Teil der Bewerbung – heuer den Zuschlag, ist der Kreis Garmisch-Partenkirchen um zwei Welterbestätten reicher. Ettals Bürgermeisterin Vanessa Voit kennt den Preis. „Die Welterbe-Kommission prüft Bewerber sehr genau. Als Kommune verpflichtet man sich, die Sichtachsen um das Baudenkmal frei zu halten und keine neue Bebauung in einem bestimmten Radius zuzulassen“, erklärt sie. Schloss Linderhof liegt idyllisch im Graswangtal. „Die Auflagen bei uns sind auch ohne Unesco-Siegel schon sehr streng, weil das Schloss mitten in einem Naturschutzgebiet, ja sogar FFH- und Vogelschutzgebiet, liegt.“

Ein Industriegebiet wäre dort eh undenkbar – so blickt Ettal gespannt nach Paris. Rückenwind weht auch am bayerischen Meer: Die „Vereinigung der Freunde von Herrenchiemsee“ hatte schon vor 25 Jahren eine Initiative gestartet, damit ihr Versailles-Double Weltkulturerbe wird. Der Welterbe-Titel ist Werbung, belebt Hotels auch in der Nebensaison. Nur im Schatten von Schloss Neuschwanstein regte sich Widerstand. Dort leiden viele schon ohne Siegel unter den Touristenmassen. 2024 pilgerten über eine Million Besucher zum „Cinderella-Castle“, das als Vorlage des Walt-Disney-Logos weltberühmt ist. Das Siegel würde noch mehr anlocken, so die Sorge. „Das hätte der König sicher nicht gewollt“, schimpfte ein Schwangauer bei einer Infoveranstaltung der Schlösserverwaltung. Andere fürchteten, die Schutzzone würde Neubauten im Umkreis unmöglich machen und Denkmalschutz-Regeln verschärfen.

Während der Gemeinderat in Ettal sowie in Garmisch-Partenkirchen der Bewerbung schon 2017 zugestimmt hatte, passierte das in Schwangau erst im Juni 2023 – per Bürgerentscheid. 56 Prozent stimmten dafür. Das „Ja“ aus Schwangau war nötig, um das Prestige-Projekt mit seinem Zugpferd endlich auf den Weg zu bringen – obwohl der Landtag dem schon 2007 zugestimmt hatte. Anfang vergangenen Jahres wurde der Antrag „Gebaute Träume. Die Schlösser König Ludwigs II. von Bayern“ bei der Unesco-Kommission eingereicht.

Die Jury ist streng. Die Heidelberger Altstadt etwa scheiterte zweimal. Mathias Pfeil, Bayerns oberster Denkmalschützer, aber ist zuversichtlich: „Ich halte die Erfolgsaussichten des Antrags für außerordentlich günstig.“ Die Königsschlösser seien nicht nur sehr bekannt, sie seien auch unter hohem Aufwand saniert worden. Neuschwanstein zuletzt für 40 Millionen Euro und die Venusgrotte von Linderhof für satte 60 Millionen.

„Ziel der Bewerbung war, die herausragende historische, kunsthistorische und architektonische Bedeutung der Schlösser König Ludwigs II. auf internationaler Ebene noch sichtbarer zu machen“, heißt es von der Bayerischen Schlösserverwaltung. Welterbestätten können sich bei Bund und Land um Sondermittel zur Restaurierung bewerben. Denn die Unesco selbst vergibt nur Siegel – keine Geldspritzen.

Neuschwanstein ist inzwischen für einen etwaig größeren Ansturm gewappnet: Die Besuchergruppen wurden verkleinert. Online- und Zeitslot-Tickets sollen Schlangen am Ticketschalter verkürzen, den Besucherverkehr über den Tag verteilen und so die örtliche Infrastruktur entlasten.

Ettal lässt das mit dem Unesco-Siegel auf sich zukommen. „Die Folgen sind schwer abzuschätzen“, sagt Vanessa Voit, die in der 750-Einwohner-Gemeinde ehrenamtlich Bürgermeisterin ist und hauptberuflich für Schloss Linderhof arbeitet. Dieses spielt mit 350 000 Besuchern noch eine Liga unter Neuschwanstein. „Wir leben von und mit unseren Baudenkmälern Linderhof und Kloster Ettal. Internationale Krisen spüren wir massiv, sollte das Siegel also neue Zielgruppen zu uns führen, heißen wir sie wie gewohnt willkommen“, sagt Voit. In Sachen Bildungsangebot und Besucherlenkung würde es neue Chancen bringen. „Uns um unser kulturelles Erbe zu kümmern und es zu erhalten, ist aber ja keine neue Herausforderung.“ C. SCHRAMM/U. VOGLER

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