Heikle Einsätze: Polizeibeamte bei einer Anti-IAA-Demo in München. © Klaus Haag
München – Beleidigungen, Schläge, Bisse und Knochenbrüche: Es gibt wohl wenige Berufe, bei denen Attacken zum Alltag gehören. Polizisten müssen, und das ist die bittere Realität, aber jederzeit damit rechnen, angegriffen zu werden. Im vergangen Jahr gab es in Bayern 4700 Fälle von körperlicher Gewalt, knapp 3000 Polizisten erlitten – teils schwere – Verletzungen. Das sind im Schnitt acht verletzte Beamte pro Tag. Das ist der zweithöchste Wert, seit solche Angriffe erfasst werden.
„Diese Übergriffe zeigen eine alarmierende Respektlosigkeit gegenüber unserem Rechtsstaat und sind in keiner Weise akzeptabel“, unterstrich Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bei der Vorstellung der aktuellen Statistik. 2023 erreichten die Fallzahlen bei der Gewalt gegenüber Polizisten neue Höchststände. 2024 gingen sie leicht zurück. Zum Vergleich: 2024 gab es insgesamt 7384 Straftaten gegen Beamte, im Jahr zuvor waren es 7913. Besorgniserregend: In neun Fällen hatten die Täter scharfe Waffen bei sich, einer feuerte tatsächlich eine Kugel in Richtung der Polizisten ab. 17 Mal wurde versucht, Beamte direkt mit einem Messer zu verletzten. Insgesamt waren 18 600 Männer und Frauen in Uniform psychischer und körperlicher Gewalt ausgesetzt.
Der Minister unterstrich mit Nachdruck: „Wir lassen unsere Einsatzkräfte nicht allein – nicht im Einsatz, nicht danach und niemals vor Gewalt.“ Zum Maßnahmenpaket, mit dem sie gut geschützt werden sollen, gehören fundierte Aus- und Fortbildung, ballistische Schutzausrüstung, Einsatzstöcke, Waffen und Body-Cams. Taser, mit denen Elektrostöße verabreicht werden können, seien bislang bei den Spezialkräften und geschlossenen Einsatzzügen in Gebrauch. Aktuell werde geprüft, ob dieses Konzept ausgebaut wird. „Da sind wir gerade dabei“, erklärte Hermann. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte das Thema kürzlich aufs Tabet gebracht – mit Blick auf die Bundespolizei, die bislang ohne Taser arbeitet. Nach den tödlichen Polizeischüssen auf eine Frau in München, die zuvor mit einem Messer zwei Personen verletzt hatte, wird jetzt der Taser-Einsatz für Streifenbesatzungen diskutiert.
„Gefühlt bleiben unsere Einsatzkräfte eine wandelnde Zielscheibe und müssen sich immer mehr mit einer anderen Intensität der Übergriffe auseinandersetzen“, sagte Florian Leitner, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, zum Lagebild 2024. Leitner hob hervor, dass durch die Politik viel Positives für die Polizei umgesetzt wurde. „Gleichwohl muss man aber sehr wohl genau hinschauen: Bei den erfassten Fällen spielt der Faktor Anzeigenbereitschaft der Kolleginnen und Kollegen eine entscheidende Rolle.“ Wer einen Angreifer anzeigt, bekommt viel Arbeit und meist eine Gegenanzeige. „Dies schafft immer Probleme“ und schrecke ab, aktiv zu werden.
Dass mit aller Härte des Gesetzes gegen Täter vorgegangen wird, unterstrich Justizminister Georg Eisenreich (CSU). Angriffe auf Einsatzkräfte würden konsequent verfolgt: „Wir müssen die schützen, die uns schützen.“ Die Verfahren würden deshalb priorisiert und beschleunigt. Gewalttäter müssen mit einer Haftstrafe von bis zu fünf Jahren rechnen.
Die Angreifer sind zu 84 Prozent männlich und stehen bei ihren Attacken unter dem Einfluss von Alkohol und/oder Drogen (62 Prozent). 900 der 6000 Tatverdächtigen haben schon mehrfach zugeschlagen oder getreten. Die Grünen im Landtag fordern angesichts dessen eine klare Kante: „Wir dürfen uns nicht daran gewöhnen, dass Menschen, die täglich für unsere Sicherheit einstehen, diese Gewalt erfahren.“ NADJA HOFFMANN