Mit etlichen Einsatzkräften suchte die DLRG am Starnberger See vor anderthalb Wochen nach einem untergegangenen Studenten. Ohne Erfolg. © Andrea Jaksch
Starnberg – Der Sommer hat gerade erst richtig begonnen, doch für Walter Kohlenz und seine Kollegen hat er schon jede Menge Einsätze bedeutet. Der 51-Jährige ist seit drei Jahrzehnten bei der DLRG Pöcking-Starnberg im Einsatz. An dem Sonntag vor anderthalb Wochen, als es am Starnberger See zu zwei tragischen Badeunfällen kam, war er Wachführer. Ein Mann wurde aus dem Wasser gezogen, die Retter versuchten ihn zu reanimieren, doch er starb. Nach einem 23-jährigen indischen Studenten wurde tagelang erfolglos gesucht. Er war wie berichtet von einem Boot in den See gesprungen, obwohl er nicht schwimmen konnte. Auch in anderen bayerischen Seen und Bädern ist es an den vergangenen Wochenenden zu vielen Badeunfällen gekommen – und häufig mussten Nichtschwimmer gerettet werden.
Die Zahl der Einsätze sei keine ungewöhnliche Häufung, betont Kohlenz. Er erklärt sie mit den heißen Temperaturen und den Pfingstferien. „Dann ist an den Seen einfach sehr viel los. Und je mehr Menschen baden, desto höher ist das Risiko, dass einige ertrinken.“ Was ihm und seinen Kollegen aber seit einigen Jahren auffällt: „Die Schwimmfähigkeit lässt nach.“ Und nicht nur bei Menschen, die aus Ländern stammen, in denen das Schwimmenlernen nicht selbstverständlich ist, sagt Kohlenz. In Bayern war Schwimmen früher noch ein fester Bestandteil des Sportunterrichts, berichtet er. „Heute lernen Kinder das Schwimmen nicht mehr in der Schule. Sie müssen meist lange auf einen Platz in einem Kurs warten.“ Denn es gibt zu wenig Bäder und häufig auch zu wenig Personal.
Wie Badegäste mit ihrem eigenen Schwimmverhalten umgehen, sei oft eine Mentalitätsfrage, sagt Kohlenz. Einige seien sehr vorsichtig, andere haben wenig Risikobewusstsein oder schätzen sich selbst völlig falsch ein. Und häufig hat der 51-Jährige auch den Eindruck, dass die Badegäste viel zu wenig auf die Bedingungen am See achten: Wie stark ist der Wind, treibt er Schwimmer weit raus? Wie kalt ist der See und wie wichtig ist es, sich vorher abzukühlen, bevor man ins Wasser springt? Gerade die Wassertemperatur wird als Gefahr immer wieder unterschätzt, erklärt Kohlenz. „Oft ist die Wasseroberfläche noch warm, in tieferen Schichten wird es aber schnell kalt.“ Das kann zum Kreislaufkollaps führen – oder sogar zum Herzinfarkt. Gerade bei älteren Schwimmern ist dieses Risiko groß. Auch solche Einsätze gibt es gerade an vielen bayerischen Gewässern.
Ebenfalls unterschätzt werde oft, wie steil das Gefälle in einigen Naturseen ist, erklärt Walter Kohlenz. Das kann besonders für Nichtschwimmer oder schlechte Schwimmer zum Verhängnis werden. Andere würden sich selbst überschätzen und viel zu weit rausschwimmen, berichtet der Retter. In den vergangenen Jahren hat er immer wieder mit großem Erstaunen beobachtet, wie viele Stand-up-Paddler es gibt, die nicht schwimmen können, aber trotzdem unbesorgt weit rauspaddeln. Häufig suchen er und seine Kollegen das Gespräch, bevor es zu einem Einsatz kommt – sie haben einen geschulten Blick und beobachten genau, wie routiniert jemand mit einem SUP-Board oder einem Boot umgeht. „Wir wollen niemanden belehren, sprechen aber das Risiko an und geben Tipps – zum Beispiel eine Rettungsweste anzulegen.“
In seinem Landkreis Starnberg arbeitet das Landratsamt gerade an Informationsbroschüren für Badegäste. Auch Hinweisschilder sind in Arbeit. An vielen bayerischen Seen gibt es solche Tafeln bereits, um Badegäste auf Risiken hinzuweisen. Trotzdem haben es Walter Kohlenz und seine Kollegen immer wieder mit großer Sorglosigkeit zu tun. Erst vor ein paar Tagen mussten sie auf dem Starnberger See nach zwei vermissten Kindern suchen, die in Pöcking allein mit dem SUP-Board rausgepaddelt waren. „Entdeckt haben wir sie kurz vor Feldafing“, erzählt er. Dieser Einsatz ging gut aus. Der vermisste 23-jährige Student hingegen wurde nicht gefunden.