High-Tech-Hirn für die Münchner S-Bahn

von Redaktion

Mit zwei Jahren Verspätung: Elektronisches Stellwerk am Ostbahnhof in Betrieb

Bunte Drähte für 150 Signale: Kai Kruschinski zeigt die neue Technik. © dw

Graffiti-Künstler Marcus Dörr besprüht insgesamt 26 Bahngebäude.

Alles so schön bunt hier: Das neue elektronische Stellwerk am Ostbahnhof setzt auch optisch Akzente. © Yannick Thedens (2)

München – In Betrieb ist es schon seit einer guten Woche – gestern aber wurde der Festakt zur Inbetriebnahme des elektronischen Stellwerks am Münchner Ostbahnhof gefeiert. „Halleluja, das neue Stellwerk“, entfuhr es Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zu Beginn seiner Rede. Immerhin kommt das Stellwerk, das 195 Millionen Euro kostete, mit zwei Jahren Verspätung. Söder ist der einzige Offizielle, der beim Baustart 2021 schon im Amt war. Die anderen Beteiligten sind Geschichte – Bahnvorstand Pofalla ebenso wie Verkehrsminister Scheuer.

Wer einen Blick ins neue Gebäude an der Friedenstraße wirft, könnte etwas enttäuscht sein. Keine Hebel und Kurbeln wie beim alten Relaisstellwerk aus dem Jahr 1971, nicht einmal Computer, sondern nur Schubläden, in denen Glasfaserdrähte in verschiedenen Farben zusammen- und wieder auseinander laufen. Insgesamt 400 Kilometer Kabel wurden verlegt. Hochtechnologie schaut unspektakulär aus. Von der Betriebszentrale an der Donnersbergerbrücke aus steuern jeweils zwei von insgesamt zwölf für die Stellwerkstechnik geschulte Fahrdienstleiter im Schichtbetrieb das neue Technik-Wunderwerk: 150 Signale, 60 Weichen, fünf elektronische Weichenheizstationen. Im neuen „High-Tech-Hirn“ der S-Bahn gibt es nur einen Notarbeitsplatz, sonst ist das Gebäude personell unbesetzt.

In Betrieb ist streng genommen nur eine Gebäudehälfte – die zweite steht noch leer. Sie ist für ein weiteres elektronisches Stellwerk reserviert, von dem aus nach Fertigstellung der 2. Stammstrecke in den 2030er-Jahren die Ferngleise am Ostbahnhof gesteuert werden sollen. Und obwohl es sich um das – Stand jetzt – modernste Stellwerk Deutschlands handelt, ist es „nur“ elektronisch. Nicht jedoch digital. „Es ist aber digitalisierungsfähig“, betonte der Infrastruktur-Vorstand der DB, Berthold Huber.

Der Graffitikünstler Marcus Dörr aus Offenbach hat das Gebäude mit Münchner Stadtmotiven besprüht – Siegestor, Frauenkirche, auch die Münchner S-Bahn fehlt natürlich nicht. Es ist der Auftakt zu einer Serie – insgesamt 26 Bahngebäude im Münchner Osten sollen so verschönert werden.

Wird bei der S-Bahn jetzt alles gut? Kai Kruschinski, Projektchef der 2. Stammstrecke, rechnet mit bis zu 15 Prozent weniger Verspätungen im Münchner S-Bahn-Netz – „das ist die Perspektive“. Der Lackmustest folgt am Jahresende: Dann erscheint die neue S-Bahn-Verspätungsstatistik. DIRK WALTER

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