Die 67 Mobilitätspunkte im Landkreis wurden gefördert.
Für viele Großstädter ist das Lastenrad eine Alternative zum Auto geworden. Abseits der Metropolen sind die Bewohner dagegen zögerlicher. © pixdeluxe/getty
Fürstenfeldbruck – Lästereien über das Lastenrad sind legendär, sie gelten als „woke“ und für manche Autofahrer sind sie ein Hassobjekt. Der Landkreis Fürstenfeldbruck probiert es jetzt trotzdem – er startete eine Lastenrad-Offensive. Es ist der erste Versuch in Bayern, Lastenräder-Ausleihe abseits der Großstadt zu etablieren.
Stippvisite im Fürstenfeldbrucker Westen. Gegenüber der St. Bernhard-Kirche stehen sie: zwei schwarz lackierte E-Lastenräder. „E-Cargo-Bike-Sharing“, steht darauf. Sie sind geeignet für maximal 80 Kilo Ladung oder aber zwei Kinder – Gurte sind vorhanden. Die beiden Räder des Münchner Anbieters evhcle können über eine App ausgeliehen werden. 1,50 Euro für die Entsperrung und ein Euro für jede halbe Stunde ist der Preis, wobei es ein Tageslimit gibt: 24 Stunden Ausleihe kosten 22 Euro.
Nimmt das jemand an? An diesem Freitag stehen die beiden Lastenräder unbenutzt herum. Der Hausmeister der nahen Wohnanlage schaut verdutzt, als man ihn auf die Räder anspricht. Sie sind ihm noch gar nicht aufgefallen. Immerhin, er will es nicht abwerten. Was es denn kostet, so was zu leihen, fragt er.
Die Lastenräder stehen an sogenannten Mobilitätspunkten. Der Landkreis Fürstenfeldbruck habe eine Förderung erhalten, sagt Martin Imkeller von der Stabsstelle Mobilität des Landratsamtes. Mit über zwei Millionen Euro wird der Aufbau von 67 dieser Standorte gefördert. 20 Prozent der Kosten übernehmen die Kommunen. An zehn dieser Punkte, die durch über zwei Meter hohe Stelen mit der Aufschrift „MP“ (für Mobilitätspunkt) gut erkennbar sind, stehen je zwei Lastenräder – und zwar in Fürstenfeldbruck, Germering, Olching und Puchheim. An den anderen Standorten werden nur normale Fahrräder zum Ausleihen abgestellt. Noch ist die Ausschreibung ein Fall fürs Gericht, weil der unterlegene Bieter geklagt hat. Zudem sind an den Mobilitätspunkten Extras geplant: abschließbare Fahrradboxen zum Beispiel, Gepäckfächer, Luftpumpen und Reparaturmöglichkeiten für Räder.
MVV-Chef Bernd Rosenbusch unterstützt den Versuch in Fürstenfeldbruck. „Bikesharing ist die optimale Ergänzung für den ÖPNV“, sagt er, es überbrücke „die letzte Meile“, verringere die Gesamtfahrzeit. „Das macht die ÖPNV-Nutzung in Summe attraktiver.“ Vor allem setzt der MVV auf ein landkreisübergreifendes Leihrad-System mit 5200 Rädern, 2000 davon Pedelecs, das ab 2026 den ganzen MVV umfasst – auch München, das seine bisherigen MVG-Bikes in das neue System überführt. Die Räder würden dann auch an den Mobilitätspunkten stehen. Bisher ist das Leihradl-System örtlich stark begrenzt: Ein MVG-Bike muss man bisher in München oder einigen angrenzenden Gemeinden wieder abgeben und kann es nach einem Radlausflug beispielsweise an den Starnberger See nicht einfach dort stehen lassen.
Wie aufwändig speziell die Lastenrad-Offensive ist, lässt sich am zweiten Fürstenfeldbrucker Standort gut erkennen. An der Theodor-Heuß-Straße wurde ein Stromkasten aufgestellt, der Asphalt aufgefräst und Leitungen verlegt – denn die E-Lastenräder müssen ja mit Strom versorgt werden. Die Ladeplatten bezahlte der Landkreis. Auch an der Theodor-Heuß-Straße bleiben die beiden Räder an diesem Freitag indes unbenutzt. Liegt es am Standort abseits eines Bahnhofs? Den Standort zu ändern, dürfte schwierig sein – dann müsste erneut eine Stromzufuhr verlegt werden.
Trotzdem spricht Martin Imkeller vom Landratsamt von ersten Erfolgen. Gemessen wird die Nutzung in Minuten. 1000 Minuten Ausleihe im Monat seien keine Seltenheit. Es gehe um die „spontane, tageweise Nutzung“ und die Verknüpfung verschiedener Verkehrsmittel, sagt er. Deswegen gibt es die Mobilitätspunkte auch in der Nähe von Busstationen oder wie etwa in Esting bei Olching an S-Bahn-Haltestellen. Auch die Landkreise München, Starnberg und Freising hätten Interesse an Mobilitätspunkten mit Leihrädern – allerdings ohne Lastenräder. Das ist eine Fürstenfeldbrucker Spezialität – bis Ende 2030 will man dem Projekt Zeit geben.DIRK WALTER