„Bahn muss sich reinhängen“

von Redaktion

Schadhafte Betonschwellen Grund für die Sperre im Oberland

Lahm gelegt: ein Zug der BRB im Oberland.

Nichts geht mehr: Der Bahnhof Unterhaching war gestern menschenleer, keine S-Bahn fuhr. © Quirin Wullrich

Bitte umsteigen: Seit Sonntag läuft der Schienenersatzverkehr, hier am Bahnhof Holzkirchen. Reisendenlenker lotsen die Fahrgäste in den Bus. © THOMAS PLETTENBERG (2)

Holzkirchen – Das Bahnchaos schockt im Oberland. Mindestens die gesamte Woche wird die Strecke zwischen Holzkirchen und Deisenhofen gesperrt sein. Wieder sind es die Schienenschwellen, die die eigentliche Ursache des Problems sind.

Am Freitag gegen 18 Uhr hatte die DB InfraGo eine Sperrung des Bahnhofs Deisenhofen und dann auch des Bahnhofs Unterhaching angeordnet. Der Grund: Am Bahnhof Unterhaching gibt es an vier Weichen Schäden, weiter südlich in Deisenhofen an drei. Daher müssen die Züge der Bayerischen Regiobahn aus dem Oberland am Bahnhof Holzkirchen enden. Die S3 endet schon in Giesing. Die BRB bietet einen Pendelzug zwischen München und Deisenhofen an, das Stück dazwischen können Pendler und Ausflügler mit einem Express-Bus überwinden. Parallel dazu hat die Bahn einen Schienenersatzverkehr zwischen Holzkirchen und Giesing eingerichtet – 17 Busse und 60 Großraumtaxis sollen den Verkehr aufrechterhalten. Ab Mittwoch soll es dafür einen festen Fahrplan geben.

Trotz aller Bemühungen: Für das Oberland ist das ein Schock, wie der Tegernseer Tourismus-Chef Christian Kausch sagt. „Ausgerechnet zum Ferienstart in Norddeutschland, wo sich viele Urlauber eigentlich darauf verlassen, dass sie mit der Bahn an- und auch wieder abreisen können, dauert diese Sperrung jetzt Wochen.“ Das Tal sei voll, sagt Kausch. Zudem sorgen die Waldfeste – am 8. Juli etwa in Rottach-Egern, am 29. Juli in Tegernsee – für einen Besucheransturm. Kommen jetzt alle mit dem Auto? Dann wird es auch auf der Straße ein Verkehrschaos geben.

Offenbar kam der Schaden nicht aus heiterem Himmel. Zwar hätten Triebfahrzeugführer vorher keine Auffälligkeiten an den Weichen festgestellt. „Es bestand jedoch bereits eine Langsamfahrstelle im Bereich Deisenhofen“, berichtet BRB-Sprecherin Annette Luckner. Ursache für die Streckensperrung sind genau gesagt auch keine Schäden an den Weichen, sondern an den darunter liegenden Schwellen. An allen sieben Weichen gebe es schadhafte Schwellen, berichtet eine Bahnsprecherin auf Anfrage. Sie müssten ausgetauscht werden – nicht nur die Schwellen, sondern die gesamte Weiche gleich mit. Das gehe schneller. Ansonsten müsse „jede Schwelle ausgefädelt und die neue Schwelle eingefädelt werden“. Auch so aber dauert es seine Zeit: Jede Weiche sei „ein Einzelstück“ und müsse im Weichenwerk der DB in Witten „maßgefertigt“ werden, so die Bahn. „Die DB geht daher davon aus, das die Einschränkungen über einen längeren Zeitraum bestehen werden“, mindestens noch diese Woche. Auf der Störungsseite der S-Bahn wurde gestern sogar ein Zeitraum bis 30. Juli genannt. Es werde geprüft, ob zumindest Teilstücke schneller freigegeben werden könnten.

Die Problematik mit den Schwellen ist seit dem Zugunglück in Garmisch-Partenkirchen im Juni 2022 bekannt: Fehlerhaft hergestellte Betonschwellen der Firma Moll, die massenhaft im gesamten Bundesgebiet verbaut wurden, sollen den Zug zum Entgleisen gebracht haben. Seitdem werden die Schwellen ausgetauscht – nun auch in Deisenhofen und Unterhaching. Die BRB kündigte „intensive Gespräche mit der DB InfraGo“ an – irgendjemand muss den Schienenersatzverkehr ja bezahlen.

Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) ist weitgehend machtlos – mehr als Druck ausüben kann er nicht. Gestern telefonierte er mit Philipp Nagl, Chef der DB InfraGo, der auch für Weichen zuständigen Bahntochter. „Die Bahn muss sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln reinhängen“, forderte Bernreiter. „Die Strecke hat eine enorme Bedeutung für Berufspendler, aber auch für Touristen und Ausflügler.“ DIRK WALTER, GERTI REICHL

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