Streit um Berghütten-Namen

von Redaktion

Südtiroler Alpenverein will deutsche Bezeichnungen tilgen

Wird sie bald umbenannt? Die Regensburgerhütte/Rifugio Firenze im Grödnertal ist 1888 entstanden. © Wikipedia/Ramessos

München – Deutsche Städtenamen für Südtiroler Schutzhütten – das ist eine Tradition, die bis ins 19. Jahrhundert zurückgeht. Es gibt – oder gab – unzählige Beispiele. Die Kasseler Hütte, die Stettiner oder die Magdeburger Hütte zum Beispiel. Jetzt hat die Vizepräsidentin des Alpenvereins Südtirol, Ingrid Beikircher, in der Vereinszeitschrift „Berge erleben“ eine Debatte über die Umbenennung der Hütten angestoßen. „Sind die Namen der Schutzhütten noch zeitgemäß?“, lautet die Überschrift. Nein, sind sie nicht, findet die Alpin-Funktionärin.

„Ich bin der Meinung, dass es heute keinen Sinn mehr macht, wenn Hütten Namen von bundesdeutschen und italienischen Städten oder von Personen tragen, die ohne jegliche Verbindung zum Bauwerk sind“, schreibt Beikircher. Eine Bonner Hütte oberhalb von Toblach mache keinen Sinn, eine Wiesbadener Hütte in der Silvrettagruppe sei „recht seltsam“. Stattdessen sollten die Schutzhütten „nach dem Standort, der Gegend oder nach der alpinen Lage“ benannt werden, schlägt Beikircher vor. Sie nennt auch gleich einige Beispiele: So könnte die Chemnitzer Hütte/Rifugio Porro in den Zillertaler Alpen am Neves Joch zur Nevesjochhütte werden, die Stettiner Hütte/Rifugio Petrarca am Meraner Höhenweg zur Hohe Wilde Hütte (italienisch: Rif. all*Altissima) – das Bergmassiv (3480 m) liegt ganz in der Nähe.

Der Deutsche Alpenverein mag den Vorstoß am liebsten gar nicht kommentieren. „Wir haben ein sehr gutes Verhältnis mit den Kollegen in Italien“, sagt DAV-Sprecherin Miriam Roth. Es gebe keinen konkreten Vorstoß, die Hütten umzubenennen – lediglich einen Diskussionsbeitrag. Ähnlich Gerald Zagler, Leiter Museum und Archiv beim Österreichischen Alpenverein. „Das ist Sache des Südtiroler Alpenvereins“, sagt Zagler, „bei uns ist das kein Thema.“ Etwas aufgeschlossener klingt der Südtiroler Landeshauptmann Arno Kompatscher. „Selbstverständlich“ könne man nachdenken, „ob die Namen der Schutzhütten noch zeitgemäß sind“, sagt er unserer Zeitung. Er kündigt an: „Wir werden die Thematik in aller Ruhe vertiefen und dann eine gut durchdachte Entscheidung treffen.“ Er verwahre sich aber „gegen eine Instrumentalisierung der Namensgebung für politische Zwecke“ .

Die Warnung kommt nicht von ungefähr: Die Diskussion rührt an einen sensiblen Nerv – in Südtirol tobte jahrzehntelang ein Sprachenstreit, die deutschsprachige Bevölkerungsmehrheit befürchtete die Verdrängung durch die italienischsprachige Minderheit. Die blutige Vergangenheit, der italienische Faschismus, der Deutsch als Sprache gezielt unterdrückte, in den 1960er-Jahren dann Bombenanschläge deutscher Separatisten vergifteten das Klima. Seit dem Südtiroler Autonomiestatus von 1972 beruhigte sich die Lage allmählich.

Ein Grund: Im österreichischen Tirol gehören viele Hütten deutschen Sektionen und werden bis heute von ihnen betrieben. In Südtirol ist das anders: Nach dem Ersten Weltkrieg enteignete Italien die deutschen Sektionen, die Hütten gingen an den italienischen Staat, der sie italienischen Sektionen zuordnete. 1998 wurden alle Schutzhütten dem Land Südtirol übertragen, inklusive der Namen. Die meisten deutschen Sektionen haben neue Hütten aufgebaut – zumeist eben in Österreich.

Dennoch sind die historischen Wurzeln der Namensgebung unverkennbar. Beispiel: Die Regensburgerhütte im Grödnertal in Sichtweite der Geislerspitzen, erbaut 1888 als eine der ersten Berghütten überhaupt von Mitgliedern des damaligen Deutsch-Österreichischen Alpenvereins, Sektion Regensburg. Nach der Enteignung bürgerte sich der Name „Rifugio Firenze“ ein, weil der italienische Alpenverein (Club Alpino Italiano), Sektion Florenz, die Hütte übernahm. Bis heute ist der Doppelname gebräuchlich, obwohl die Hütte der Provinz Bozen untersteht. Die Sektion Regensburg indes ist auf die „Neue Regensburger Hütte“ ausgewichen, erbaut 1931 in den Stubaier Alpen in Österreich. In der Tat verweist die Sektion auf ihrer Homepage nicht mehr auf die alte Südtiroler Hütte, gebräuchlich ist der Name gleichwohl.

Auf diese verwickelte Geschichte, schlägt Beikircher vor, könne doch durch mehrsprachige Tafeln an den umbenannten Hütten hingewiesen werden.DIRK WALTER

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