Auch am Sonntag ging die Suche auf dem Eibsee weiter – im Hintergrund ein Tretboot. © Dominik Bartl
Zahlreiche Einsatzkräfte suchten den Eibsee am Samstag nach Vater und Sohn ab – ohne Erfolg. © BRK/Pressestelle
Grainau – Sie wollten das schöne Wetter für eine Tretbootfahrt auf dem glasklaren Eibsee nutzen – dort kam es zu einer furchtbaren Tragödie. Ein sechsjähriger Bub fiel am Samstag vom Tretboot ins Wasser und ging unter, sein 33-jähriger Vater sprang sofort hinterher, um ihn zu retten. Beide tauchten nicht mehr auf. Die Mutter und ihre vierjährige Tochter mussten vom Tretboot aus hilflos zusehen. Auch gestern wurden die beiden Vermissten trotz großangelegter Suche nicht gefunden, es gibt kaum noch Hoffnung für sie.
Schon während die Frau einen Notruf absetzte, lief die Rettungskette an, berichtet Sohrab Taheri-Sohi vom Bayerischen Roten Kreuz. Von der Leitstelle aus wurde die Wasserrettungsstation Grainau (Kreis Garmisch-Partenkirchen) informiert. Der Notruf war am Samstag um 11.17 Uhr eingegangen. „Schon drei Minuten später waren die ersten Wasserretter an der Unglücksstelle“, sagt Taheri-Sohi. Die Wasserwacht in Uffing hatte über den Funk mitbekommen, dass ein Rettungshubschrauber angefordert wurde, und meldete der Leitstelle, dass in Uffing gerade zwei Taucher verfügbar sind. Sie wurden sofort zur Unglücksstelle geflogen, ein zweiter Hubschrauber flog den See ab und suchte aus der Luft nach Vater und Sohn. Unzählige Rettungskräfte suchten im und unter Wasser mit Sonargeräten nach den beiden. Am späten Nachmittag mussten sie den Einsatz erfolglos abbrechen. Er wurde gestern fortgesetzt. Für Vater und Kind gab es aber kaum noch Hoffnung. Der Unglücksort lag an der tiefsten Stelle des Eibsees, von dort sind es etwa 100 Meter bis zum Ufer. Es sei nicht davon auszugehen, dass sie sich selbst an Land retten konnten, erklärt Taheri-Sohi. „Und am Ufer hätten sie sich mit Sicherheit bemerkbar gemacht.“ Die Suche gestern lief als Bergungseinsatz. Gefunden wurden die beiden Vermissten nicht.
Noch sind viele Fragen ungeklärt, die Kriminalpolizei ermittelt in dem Fall. Unklar ist, ob der Sechsjährige auf dem Tretboot eine Rettungsweste getragen hatte. Die Wasserwacht appelliert bei jeder Gelegenheit, dass Nichtschwimmer und schlechte Schwimmer unbedingt eine Rettungsweste tragen sollten, wenn sie auf dem Wasser unterwegs sind – egal, ob auf dem Boot, einem Stand-up-Paddleboard oder Ähnlichem. Viele Bootsverleihe würden die Rettungswesten auch anbieten, sagt Taheri-Sohi. Ein grundsätzliches Problem sei, dass Wassergefahren viel zu oft unterschätzt würden, sagt Taheri-Sohi.
Beim Einsatz waren auch die Unterwasserströmungen im Eibsee für die Taucher eine Herausforderung. „Sie mussten erhebliche Anstrengungen aufbringen, um dagegen anzukommen. Zudem verschlechtert sich die Sicht mit zunehmender Tiefe extrem.“ Unklar ist, welche Rolle sie bei dem Unglück spielten. Zu spüren sind sie in 15 bis 20 Meter Tiefe, nicht direkt unter der Wasseroberfläche. Vorstellbar sei, dass Panik und Hektik dazu geführt hatten, dass der Vater bei der Suche nach seinem Sohn Wasser geschluckt hatte und selbst ertrunken ist. „Eine absolute Horrorsituation“, sagt Taheri-Sohi. Mutter und Tochter wurden psychologisch betreut. Die Familie stammte aus dem unterfränkischen Kreis Haßberge.
Aber auch für viele Rettungskräfte war es ein Einsatz, den sie noch lange verarbeiten müssen. Wegen der großen Tragik, aber auch wegen der Herausforderungen beim Einsatz. „Es ging um jede Sekunde und um zwei Leben“, sagt Taheri-Sohi. Die Einsatzkräfte seien Profis, die für solche extremen Situationen gut ausgebildet sind. Trotzdem würden sich einige nach solchen Unglücken fragen, wie sie noch schneller hätten sein können. Schon Samstagabend gab es für die Retter eine Nachbesprechung. Auch in den kommenden Tagen können sie psychosoziale Hilfe in Anspruch nehmen.
Der Eibsee ist an der Unglücksstelle rund 33 Meter tief. Das 24 Grad warme Wasser ist klar, Strömungen könnten die beiden Vermissten aber schnell fortgetragen haben. Auch gestern Nachmittag musste die Suche ohne Erfolg abgebrochen werden. Sie soll heute fortgesetzt werden. KATRIN WOITSCH