Im Getreidefeld prüfen Agrarministerin Kaniber und Bauernpräsident Felßner den Reifegrad des Weizens. © Claudia Möllers
Marzling – Die Wetterextreme auf der einen Seite und ein unberechenbarer US-Präsident Donald Trump, der mit einem Beitrag auf Sozialen Netzwerken die globalen Handelsströme durcheinanderwirbelt: Von Planungssicherheit, von der Bayerns Bauern gerne träumen, kann derzeit überhaupt keine Rede sein. Die Ernteprognose, die gestern Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) und Bauernpräsident Günther Felßner auf dem Ackerbaubetrieb von Stefan Grandl in Marzling (Kreis Freising) präsentiert haben, sieht daher auch eher betrüblich aus. „Wir rechnen mit einer unterdurchschnittlichen Getreideernte“, sagte die Ministerin.
Wobei es regional deutliche Unterschiede gibt: Im ohnehin trockenen Nordbayern ist die Lage deutlich schwieriger. Hermann Greif, Getreidepräsident des Bayerischen Bauernverbands, der selber einen großen Ackerbaubetrieb in Oberfranken hat, berichtet von total vertrockneten Getreidefeldern. „Da können einem die Tränen kommen.“ Die Ernte erfolgt auch deutlich früher als sonst. „Normalerweise wird der Weizen Ende Juli/Anfang August geerntet. Dieses Jahr sind es ein bis zwei Wochen früher.“
In Deutschland wird laut Kaniber eine Getreideernte in Höhe von rund 40,1 Millionen Tonnen erwartet. „Das sind fünf Prozent weniger als im Zehnjahresschnitt.“ Von Februar bis April dieses Jahres habe es zwei Drittel weniger Regen gegeben als im langjährigen Durchschnitt. Im März fielen sogar nur zehn Prozent der durchschnittlichen Menge. Dann die heißen Temperaturen von 40 Grad Anfang Juli. Die Folge: Notreife beim Getreide, vor allem in Nordbayern. „Jeder extreme Hitzetag führt zu einer Ertragsminderung von 50 bis 100 Kilo pro Hektar“, machte die Ministerin deutlich. „Das sind pro Tag pro Hektar umgerechnet 2000 Semmeln, die einfach mal weg sind.“
Allen Produktionsproblemen zum Trotz: „Niemand muss sich akute Sorgen machen. Brot, Nudeln und Co. werden nicht knapp werden“, stellte Kaniber bei der Erntepressefahrt klar. Aber die Ernährungssicherheit sei auch nicht in Stein gemeißelt. Sie rief die Verbraucher zum Kauf regionaler Lebensmittel auf. „Wer nicht möchte, dass seine Milch eines Tages als Trockenpulver aus Übersee importiert wird und sein Schnitzel aus einem chinesischen Schweinehochhaus mit 26 Stockwerken kommt, muss sich bewusst sein, dass wir unsere heimische Landwirtschaft mit aller Kraft erhalten müssen.“
Finanzielle Sorgen machen sich in erster Linie die Getreide- und Ackerbauern. Denn von den deutlich gestiegenen Lebensmittelpreisen bis zu 20 Prozent kommt auf den Bauernhöfen nichts an. Im Gegenteil: Der Weizenpreis ist sogar um 50 Prozent zurückgegangen. Laut Felßner geht es in der derzeitigen schwierigen politischen Lage weniger um die Frage, ob die Semmel mehr oder weniger koste: „In dieser Zeit ist die Frage im Mittelpunkt, ob die Versorgung mit Nahrungsmitteln überhaupt gesichert ist.“ Es gehe darum, ob man genug für alle Menschen habe und ob man erpressbar sei. Insofern seien die Ernährungswirtschaft, die Molkereien, die Getreidemühlen, die Bäckereien „hochkritische Infrakstruktur, system- und sicherheitsrelevant“.
Rücksichtnahme bei Erntefahrten
Die Vertreter des Bauernverbands riefen ebenso wie die Agrarministerin die Bürger zu Verständnis in den kommenden Wochen auf, wenn wegen der Ernte vermehrt Schlepper und Mähdrescher auf den Straßen unterwegs sind. „Fühlen Sie sich nicht beleidigt, wenn vor Ihnen ein Traktor fährt“, bat Kaniber die Verkehrsteilnehmer. „Anstatt den Mittelfinger zu zeigen, hupen Sie vor Freude: Der Landwirt vor Ihnen ist für Ihr Essen unterwegs.“ Bauernpräsident Felßner rief aber auch seine Verbandsmitglieder zu Rücksicht auf. Sie sollten die Kolonne, die sich hinter ihnen gebildet hat, einfach mal vorbeilassen.