Asyl: Die neue Realität vor Ort

von Redaktion

In einigen Landkreisen leben die Geflüchteten in provisorischen Unterkünften. Nun sind die Zahlen gesunken, einige Menschen können in bessere Einrichtungen verlegt werden. © dpa

München/Dachau – Es ist noch nicht lange her, da kamen die Busse im Zwei-Wochen-Takt. 50 Asylbewerber, alle 14 Tage. Die Unterkünfte waren voll, vielerorts sogar Turnhallen belegt. Hilferufe kamen aus fast allen Landkreisen. Doch seit einigen Wochen sind die Zahlen überall zurückgegangen. In diesem Jahr habe es erst zwei Zuweisungen mit jeweils 50 Menschen aus der Ukraine gegeben, berichtet der Dachauer Landrat Stefan Löwl. „Von einer Krise kann man gerade nicht mehr sprechen.“

Dachau ist kein Einzelfall. Auch andere Landratsämter berichten von stark zurückgegangenen Zahlen. Laut Regierung von Oberbayern wurden im ersten Halbjahr 2024 noch 6282 neu ankommende Asylbewerber registriert. Im selben Zeitraum des Jahres 2025 waren es 3469 – ein Rückgang von rund 45 Prozent. Die Zahl der freiwilligen Ausreisen und Abschiebungen habe bayernweit im ersten Quartal des Jahres die Zahl der Neuzugänge kompensiert, erklärt ein Regierungssprecher. Für das zweite Quartal liegen die Zahlen noch nicht vor. Auch der Zugang von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine, die nicht unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, ist deutlich gesunken. In der Landeshauptstadt kamen täglich im Schnitt zwischen 30 und 50 Ukrainer an. Seit dem Jahreswechsel liegt die Zahl laut Regierung unter 20.

Die Landräte sind dankbar für diesen Rückgang. Von einer wirklichen Verschnaufpause will Stefan Löwl aber nicht sprechen. „Die aktuelle Situation gibt uns eine Chance, Dinge abzuarbeiten. Wir sind noch massiv dran, die Menschen zu integrieren, die 2016 als Asylbewerber zu uns gekommen sind.“ Viele haben inzwischen zwar die Sprache gelernt und Arbeit gefunden – aber auf dem hart umkämpften Wohnungsmarkt haben Geflüchtete kaum eine Chance. Das ist fast überall in Bayern so. Nach Abschluss des Asylverfahrens dürften die Geflüchteten aus den staatlichen Unterkünften ausziehen – doch das gelingt vielen nicht, sie bleiben als sogenannte Fehlbeleger. Das wird geduldet, damit sie nicht in die Obdachlosigkeit rutschen. Aber es schafft neue Probleme. Drei Fünftel aller Bewohner sind Fehlbeleger, berichtet die Regierung. Diese Zahl hat sich über die Jahre kaum verändert. Rund zwei Drittel der Fehlbeleger sind Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, ein Drittel ehemalige Asylbewerber.

Im Kreis Dachau sind seit dem Winter zwei neue große Unterkünfte entstanden: eine Containeranlage für über 400 Menschen und eine Gemeinschaftsunterkunft mit gut 180 Betten. So konnten die Notquartiere geleert werden, erklärt Löwl. Die Landkreise haben die Weisung bekommen, Hotels und Pensionen zu räumen, die in der Anmietung sehr teuer sind. Unterkünfte, die seit zehn Jahren genutzt werden, seien abgewohnt, berichtet der CSU-Politiker. „Da muss viel renoviert und saniert werden.“ So sind die beiden neuen Unterkünfte bis auf 70 Plätze schon komplett belegt – ohne, dass regelmäßig Busse mit Geflüchteten ankommen.

Im Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen hat Landrat Josef Niedermaier mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Dort waren seit drei Jahren zwei Turnhallen belegt. Anfang Juni konnten die Hallen geräumt und mit den Reperaturarbeiten begonnen werden, sodass sie bald wieder für den Schul- und Vereinssport nutzbar sind. Auch in seinem Landkreis wurden Container abgebaut. Seit November sind nur noch Ukrainer in Bad Tölz-Wolfratshausen angekommen – 30 bis 100 pro Monat. Asylbewerber wurden nicht mehr zugewiesen. „Aber wir werden auch in Zukunft neue Plätze brauchen“, sagt er. Für einige Unterkünfte laufen die Verträge aus. Ähnlich ist die Situation im Kreis Weilheim-Schongau: von Januar bis Mai 136 neue Ukrainer und null Asylbewerber. Dennoch werden neue Unterkünfte gebaut – denn es gibt im Landkreis noch 15 Provisorien, die aufgelöst werden sollen.

Dachaus Landrat Löwl erklärt sich den Rückgang der Zahlen mit der verschärften Asylpolitik und den Zurückweisungen an den Grenzen. „Dadurch wird das Signal gesendet, dass es nicht mehr so leicht ist, nach Deutschland zu kommen.“ Löwl weiß aber auch, dass sich die Situation durch Krisen und Kriege schnell wieder ändern kann. Und er weiß, wie viel Integrationsarbeit noch vor allen Kreisen und Kommunen liegt. Gerade sei in Dachau ein Verein insolvent gegangen, der Sprachkurse angeboten hatte. „Jetzt fehlt uns ein großer Akteur.“ Auch bei den Beratungen sei die Nachfrage sehr groß. Schon jetzt gebe es lange Wartezeiten für Arzttermine, es bräuchte mehr Kindergartenplätze – und mehr Wohnungen. „Die Probleme hatten wir sowieso und sie werden durch die Zuwanderung verschärft.“ Es gebe also genug Herausforderungen, die die Landkreise zu stemmen hätten. Integration ist eine Aufgabe über Generationen, betont Löwl. „Wir brauchen diese ruhigere Phase dringend. Bisher sind wir einen Sprint gelaufen – jetzt wird es ein Marathon.“(MIT ZIP/VA/SET)

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