Die Synagoge Ohel Jakob in der Münchner Altstadt. © RevierFoto/pa, Ullstein Bild
Jüdische Auswanderer tanzen 1948 vor ihrer Abreise nach Palästina auf dem Bahnhof in München.
Seit 40 Jahren Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde: Charlotte Knobloch. © Marcus Schlaf
Jüdisches Leben in München in den 90er-Jahren: Ein Bewohner des Saul-Eisenberg-Seniorenheims der Israelitischen Kultusgemeinde entzündet eine Kerze. © Hess/SZ Photo/pa
München – Ein schroffer Kalksteinquader, hoch wie die Jerusalemer Klagemauer, und darauf ein goldschimmernder Kubus: Seit 2006 hat die jüdische Gemeinde in München wieder eine repräsentative Hauptsynagoge in der Innenstadt mit Namen „Ohel Jakob“ („Zelt Jakobs“). Der Bau des Jüdischen Zentrums unweit des Marienplatzes markiert einen Höhepunkt in der Geschichte der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG), die nur zwei Monate nach dem Ende des NS-Regimes einen Neustart wagte: Am 19. Juli 1945 fand im ehemaligen Altenheim der Gemeinde in der Kaulbachstraße die Gründungsversammlung statt.
Dr. Julius Spanier, der das KZ Theresienstadt überlebt hatte, übernahm den Vorsitz, der Anwalt Fritz Neuland (1889–1969) den Vizevorsitz. Im Oktober kam Aaron Ohrenstein als Rabbiner dazu. Zum 80. Jahrestag gibt es am Dienstag einen Festakt mit Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU). Gewürdigt wird eigentlich ein Doppel-Jubiläum, denn Charlotte Knobloch (92), Tochter des Mitgründers Neuland, ist gleichzeitig 40 Jahre im Amt der IKG-Präsidentin.
„Es ist eine der denkwürdigen Volten der Geschichte, dass München unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs zu einem Zentrum jüdischen Lebens in Deutschland wurde“, so hat es Knobloch in ihrer Biografie geschrieben. Ausgerechnet in der einstigen „Hauptstadt der Bewegung“ lebten nach Kriegsende wohl bis zu 7000 jüdische Displaced Persons, die den Terror der Nazis überlebt hatten. In ganz Bayern waren es sogar bis zu 120 000. In großen lagerartigen Siedlungen, Föhrenwald bei Wolfratshausen etwa, Pocking bei Passau oder Kaltherberge in München-Freimann, wartete dieser „Rest der Geretteten“ („Scherit Hapleita“) oft jahrelang auf eine Gelegenheit zur Emigration nach Palästina oder in die USA.
Manche hatten Auswanderungsgedanken und blieben schließlich doch, etwa die damals 13-jährige Charlotte Knobloch, die die Riemerschmid-Handelsschule nahe dem Viktualienmarkt besuchte und in ihren Erinnerungen berichtet, dass unverbesserliche Lehrerinnen, aber auch Mitschüler vor gehässigen Bemerkungen über „die“ Juden nicht zurückschreckten. „Ich wollte meine Koffer packen und auf und davon gehen“, bekannte sie in ihrem Buch. Aber ihr Vater Fritz Neuland zögerte. Er sah sich als Münchner, der lieber als Anwalt NS-Verfolgten bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche half und nebenbei den Wiederaufbau der Israelitischen Kultusgemeinde organisierte.
Reibungslos verlief das nicht. Neuland war ein Befürworter der Integration der DPs, die oft aus Polen oder Russland stammten und zwar Jiddisch, aber kein Wort Deutsch sprachen – Spanier dagegen wollte nur diejenigen aufnehmen, die schon vor dem Krieg Gemeindemitglieder gewesen waren. Er befürchtete wohl auch, durch die DPs werde der Antisemitismus wieder aufflammen. Der bekannte Schwarzmarkt an der Mühlstraße heizte die Stimmung ohnehin an. Münchner nannten die dorthin fahrende Straßenbahnlinie 18 „Palästina-Express“, manche sprachen gehässig von „Schacherjuden“, was sie nicht davon abhielt, sich am Schwarzmarkt mit Lebensnotwendigem einzudecken.
Trotz dieser Schwierigkeiten wuchs die jüdische Gemeinde in der Nachkriegszeit wieder an. Heute gibt es 14 Israelitische Kultusgemeinden in Bayern, 9300 registrierte Gemeindemitglieder sind es in München. Zum Vergleich: 1925 waren es über 10 000 Juden in München, das damals aber nur halb so viele Einwohner wie heute zählte. Das zeigt, welche entsetzliche Lücke der Holocaust in das jüdische Leben in München geschlagen hat.
In diesem Jahr jedoch sollen Feierlichkeiten im Mittelpunkt stehen. Am 20. Mai 1947 wurde die wiederhergestellte Synagoge in der Reichenbachstraße eingeweiht. Bis zum Bau der Ohel-Jakob-Synagoge 2006 war sie die Münchner Hauptsynagoge. Nach dem Umzug auch der IKG in das neue Zentrum verfiel das jüdische Gotteshaus im Glockenbachviertel, das eine der weltweit wenigen Synagogen im Bauhaus-Stil war. Im September soll der imposante Bau nach langen Jahren der Sanierung wiedereröffnet werden.