Im Gespräch: Kardinal Marx und Staatskanzlei-Chef Florian Herrmann (CSU).
Im Park der Katholischen Akademie trafen sich die 600 Gäste des Jahresempfangs des Erzbistums in München. © Robert Kiderle (2)
München – „Gott gab uns nur einen Mund, weil zwei Mäuler ungesund. Hat der Mensch den Mund voll Brei, muss er schweigen unterdessen. Hätte er der Mäuler zwei, löge er sogar beim Fressen.“ Diese Gedichtzeilen von Heinrich Heine gab Kardinal Reinhard Marx beim traditionellen Jahresempfang in der Katholischen Akademie Bayern am Montagabend den 600 erheiterten Gästen mit auf den Weg, bevor sie sich am Buffet stärkten und im Park zu angeregten Gesprächen trafen.
Der Kardinal beschrieb die Kirche als wichtiges Korrektiv in der Gesellschaft. Als kreative Minderheit, von der die Gesellschaft sage: „Gut, dass Ihr Christen da seid! Dass Ihr uns erinnert, es gibt noch andere Hoffnungspotenziale.“ Die Kirche dürfe nicht auf der Seite der Restauration stehen, sondern müsse an die Fähigkeit der Menschen appellieren, „in Freiheit das Gute zu wählen“. Indirekt ging der Kardinal auf die politische Debatte nach der gescheiterten Verfassungsrichterwahl ein. Die Union hatte ihre Kritik an der von der SPD vorgeschlagenen Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf mit deren Haltung zu den Themen Abtreibung und Kopftuchverbot begründet. Das Thema Lebensschutz sei ein wichtiger Punkt für die Kirche, ebenso der Sonntagsschutz. Die Menschenwürde zeige sich auch im Umgang mit Geflüchteten, Armen und Alleinerziehenden. Marx rief aber auch dazu auf, in den politischen Debatten mit Wohlwollen miteinander umzugehen. Mit Verweis auf die jüngsten politischen Streitigkeiten sagte er: „Ohne den Versuch, den anderen zu verstehen, geht es nicht. Das ist die Grundlage des Verstehens.“
„Bei den Grundfragen des Lebens, beim Lebensschutz kommt es tatsächlich zum Schwur“, hatte zuvor Staatskanzleiminister Florian Herrmann (CSU) betont. Wenn es dazu führe, dass man als Christ entscheiden muss, dass man eine bestimmte Person nicht zur Verfassungsrichterin wählen kann, dann sei das das Ergebnis die Überzeugung „Christsein heißt politisch sein“. Man müsse sich aber auch vor denen hüten, die aus den ganz rechten Kreisen versuchten, „solche Diskussionen zu kapern für deren völlig unchristliche Zwecke“. Manches aus der vergangenen Woche sei „übers Ziel hinausgeschossen“, räumte der CSU-Politiker ein. Aber man dürfe auch nicht jede Position als gleichwertig relativieren. „Wir müssen deutlich machen, was wir als Christen nicht mittragen können.“
Stoff genug für lebhafte Diskussionen im Park. Zu den Gästen gehörten der evangelische Landesbischof Christian Kopp, Hans-Joachim Heßler, Präsident des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, der Kabarettist Wolfgang Krebs und Prinz Ludwig von Bayern, der auf dem Weg zum Empfang von einem Platzregen völlig durchnässt wurde. Zu später Stunde wurde Kardinal Marx erneut lyrisch: Er erfreute seine Gäste mit nachdenklichen und heiteren Texten des niederrheinischen Kabarettisten Hanns Dieter Hüsch. Gute-Nacht-Geschichten der etwas anderen Art.CLAUDIA MÖLLERS