München – Die Betroffenen von Missbrauch in Bayern sind ihrem Ziel von einem bayernweiten Aufarbeitungsgesetz einen wichtigen Schritt nähergekommen. Gestern wurde im Landtag in seltener Einigkeit über Fraktionsgrenzen hinweg die entsprechende Petition hoch gelobt. Einstimmig wurde die Eingabe zurück ans Sozialministerium verwiesen, das in einer Stellungnahme die Einführung bayernweiter Strukturen noch abgelehnt hatte. Bis zum Oktober soll nun das Ministerium die Petition genau daraufhin prüfen, was von den Forderungen umgesetzt werden kann. Wobei CSU, SPD, Freie Wähler und Grüne ihre klare Sympathie mit den Forderungen der Opfer von Gewalt zeigten. „Wir unterstützen die Petition mit voller Überzeugung“, sagte Thomas Huber (CSU), stellvertretender Vorsitzender des Sozialausschusses. „Wir wollen den Betroffenen helfen – wir wollen nicht Täterorganisationen schützen.“
„Es ist ein wirklich großer Erfolg für uns Betroffene, dass die Mitglieder des Petitionsausschusses einstimmig unsere Petition gewürdigt haben.“ Richard Kick, Sprecher des unabhängigen Betroffenenbeirats im Erzbistum München und Freising, strahlt förmlich nach der Abstimmung. Zusammen mit seinen Mitstreitern kämpft er dafür, dass bayernweit sexueller Missbrauch und Gewalt nach denselben Standards aufgearbeitet werden – und zwar nicht nur in der Kirche, sondern auch im Sport und allen Bereichen, in denen sich Gewalt ereignet. Es solle eine landesweite unabhängige Aufarbeitungskommission eingesetzt werden, es brauche einen Betroffenenrat und einen Landesbeauftragten. Seit Jahren kämpfen die Betroffenen für eine unabhängige Aufarbeitung mit dem Argument, dass nicht die Täterorganisationen das leisten könnten. „Vielen Dank dafür, dass Sie das Herz am rechten Fleck haben“, sagte Kick zu den Abgeordneten.
Gabriele Triebel von den Grünen, die seit Jahren das Thema begleitet, freute sich über die fraktionsübergreifende Einigkeit. „Wir sind es den Betroffenen schuldig, dass wir unabhängig aufarbeiten“, sagte sie. Der Staat müsse seiner Wächterfunktion nachkommen. Julian Preidl (Freie Wähler) bekräftigte, dass die Staatsregierung das Vorhaben der Missbrauchsbetroffenen unterstütze: „Gerechtigkeit beginnt dort, wo nicht mehr die Opfer sich erklären müssen, sondern die Täter.“ Die lange Dauer der Aufarbeitungsprozesse schade dem gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Robert Köhler, wie Kick Betroffener von sexualisierter Gewalt im Kindesalter, betonte die Bedeutung einer unabhängigen Begleitung der Aufarbeitung. Er berät Ordensgemeinschaften bei diesen Prozessen. „Unbegleitet funktioniert das nicht“, sagte er. Das laufe nicht von alleine. Nach der Abstimmung war er hochzufrieden: „Mehr war heute nicht zu erreichen.“ Der Ausschuss habe mit seinem Votum gezeigt, dass er hinter den Zielen der Petition stehe, „nicht nur aus Sympathie für uns, sondern inhaltlich“. In Richtung des Sozialministeriums sagte er: „Mancher muss erst überzeugt werden.“CLAUDIA MÖLLERS