Für ihr Krankenhaus auf die Straße gingen auch diese Bürger. © Herold
München – Wenn der Bürger entscheiden darf, dann läuft es oft anders, als die Politik will. So war das auch im Dezember 2022 im Landkreis Weilheim-Schongau. Jahrelang wurde über die Zukunft der beiden Krankenhäuser in Weilheim und Schongau diskutiert, der Kreistag wollte einem Gutachten folgen und ein neues Zentralkrankenhaus in Peißenberg bauen. Doch es regte sich Widerstand, viele Bürger wollten, dass die bestehenden Krankenhäuser erhalten bleiben. Es kam zu einem Bürgerentscheid mit deutlichem Ausgang. Rund 70 Prozent lehnten die Pläne ab. Die Lokalpolitik war geschockt, das Aktionsbündnis „Pro Krankenhaus Schongau“, das die Abstimmung erzwungen hatte, jubelte.
Doch künftig könnte die Planung von Krankenhäusern von Bürgerbegehren ausgeschlossen werden. Das ist das Ergebnis der Diskussionen eines Runden Tisches zur Reform von Bürgerbegehren und -entscheiden in Bayern, der seine letzte Sitzung hinter sich gebracht hat. Die Krankenhausplanung sei ein „Sonderfall“, sagte der frühere bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (CSU), der den Runden Tisch geleitet hatte. Da erscheine ein „Ausschluss sinnvoll“. Darüber herrsche ein breiter Konsens, sagte Beckstein – nur Florian Streibl, Fraktionschef der Freien Wähler im bayerischen Landtag, sei anderer Meinung.
Und das ist er in der Tat, wie er sagt: „Es gibt in Bezug auf die Gesundheitsversorgung zwischen den Ergebnissen des Runden Tisches und der Freie Wähler-Fraktion ganz klar unterschiedliche Auffassungen. Wenn ernsthaft erwogen wird, Bürgerentscheide bei der Krankenhausplanung künftig auszuschließen, sehen wir darin einen sehr großen Fehler“, betont er. Für viele Menschen sei das eigene Krankenhaus weit mehr als nur ein medizinischer Standort. Es gehe um Sicherheit, Nähe und Vertrauen. „Dieses Thema ist existenziell und emotional aufgeladen. Deshalb braucht es hier besonders viel Sensibilität und Augenmaß. Eine langfristig tragfähige Lösung kann nur im demokratischen Konsens gefunden werden. Die Bürger dürfen dabei nicht als Zaungäste behandelt werden, sondern müssen aktiv eingebunden bleiben“, sagt Streibl und verspricht: „Das werden wir Freie Wähler in der Bayernkoalition sicherstellen.“
Was diese Uneinigkeit jetzt für die konkrete Debatte um einen Gesetzesentwurf heißt, den die Koalition aus CSU und Freien Wählern auf der Grundlage des Berichtes des Runden Tisches in den Landtag einbringen soll, blieb unklar. Am 29. Juli soll sich der Ministerrat mit dem Thema befassen. Dass die Regierungsparteien in der Diskussion um eine Reform der Bürgerbeteiligung nicht unbedingt an einem Strang ziehen, hatte sich schon vor der Einrichtung des Runden Tisches gezeigt, nachdem Ministerpräsident Markus Söder (CSU) im vergangenen Jahr in einer Regierungserklärung Bürokratieabbau und damit verbunden auch neue Hürden für Bürgerbegehren und -entscheide angekündigt hatte, damit große Projekt nicht durch Einzelinteressen verhindert oder lange hinausgezögert werden.
Besonders schmerzte die Staatsregierung, dass die Bürger in Mehring im Landkreis Altötting einen geplanten Groß-Windpark mit deutlicher Mehrheit abgelehnt hatten. Den Bürgerwillen hatte wohl auch Wirtschaftsminister und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger unterschätzt: Statt wie geplant zu einer Windpark-Infoveranstaltung zu kommen, zog er den Besuch einer Bauern-Demo damals vor. Aus geplanten 40 Anlagen im Altöttinger Forst, die einen wesentlichen Beitrag zur Energieversorgung der Betriebe im Chemiedreieck leisten sollten, werden jetzt wohl nur noch 27.
Weitgehend zufrieden mit den Ergebnissen des Runden Tisches zeigten sich Verbände und Oppositionsparteien. Die CSU sei in vielen Vorhaben inzwischen zurückgerudert, sagte die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Landtag, Katharina Schultze. Man habe „praktisch alles vom Tisch räumen“ können, hieß es vom Landesbund für Vogel- und Tierschutz in Bayern. Zunächst habe die Staatsregierung beispielsweise vorgehabt, die Beteiligung bei allen Infrastrukturmaßnahmen mit überregionaler Bedeutung einzuschränken. Das hätte nach Angaben des Verbandes „Mehr Demokratie“ rund 50 Prozent aller Bürgerbegehren in Bayern betroffen.
Im Kreis Weilheim-Schongau gibt es inzwischen keine zwei Krankenhäuser mehr. Während das Haus in Weilheim ausgebaut wurde, wurde Schongau in ein Gesundheitszentrum umgewandelt. CAZ/DPA