Der Vater und die Stiefmutter des misshandelten Kindes sitzen auf der Anklagebank des Amtsgerichts Augsburg. © Vogler/dpa
Augsburg – Ein Jahr lang soll ein Vorschulkind von seinen Eltern im Kreis Aichach-Friedberg immer wieder gequält und verletzt worden sein. Jetzt müssen sich der leibliche Vater und die Stiefmutter vor dem Augsburger Amtsgericht verantworten. Laut Anklage endete des Martyrium des damals Fünfjährigen erst, als er vergangenen Januar aus dem Haus fliehen konnte und an einer Straße von einer Zeugin aufgegriffen wurde.
Die leibliche Mutter des misshandelten Kindes war gestorben, als es gerade mal vier Jahre alt war. Bald hatte sein Vater eine neue Frau kennengelernt. Diese war dann mit ihren eigenen beiden Söhnen bei ihm und seinem kleinen Buben eingezogen. Wenige Monate nach der Hochzeit des Paares sollen laut Staatsanwaltschaft die Übergriffe begonnen haben. Sein heute 33-jähriger Vater soll ihn mehrfach geprügelt haben, aber auch die heute 35-jährige Stiefmutter soll einmal gewalttätig geworden sein. Sie sollen das Kind zudem ohne Essen und Trinken für längere Zeiträume im Heizungsraum, Kinderzimmer oder in der Abstellkammer eingesperrt haben. Dabei sollen die Arme und Füße des Jungen mit Kabelbindern gefesselt worden sein. Zudem habe das Kind ohne Kissen und Decke auf dem Boden schlafen müssen.
Der Anwalt des Vaters erklärte in dem Prozess, dass die angeklagten Taten zutreffend seien. „Ich wünschte, ich könnte vieles rückgängig machen“, sagte der Vater gestern und gab unter anderem zu, seinen Sohn geohrfeigt zu haben, als dieser ihn abends einmal gereizt habe. „Da hat er halt mal eine gefangen.“ Jetzt will der Angeklagte Schmerzensgeld zahlen, 1500 Euro seien schon geflossen. Die beschuldigte Frau sagte selbst nichts zu den Vorwürfen, ließ aber ihren Verteidiger eine Erklärung verlesen. Beide Angeklagten erklärten, überfordert gewesen zu sein, weil der Sohn aggressiv gewesen sei. So soll das Kind einen Bilderrahmen zerbrochen und die Glasscherben in Richtung der Eltern geworfen haben. Der Vater sagte, sein Sohn habe „richtige Ausraster“ gehabt.
Inzwischen hat sich das Jugendamt dem mittlerweile Sechsjährigen angenommen. Er ist in einer Wohngruppe untergebracht. Der Staatsanwältin zufolge hat sich der zuvor altersgerecht entwickelte Junge durch die fortdauernde Vernachlässigung und Misshandlung massiv zurückentwickelt. Es müsse davon ausgegangen werden, dass er sein Leben lang ein Risiko für psychische Folgeschäden behalte.
Im April war das Kind von einer Ermittlungsrichterin befragt worden. Ein Video davon wurde gestern im Prozess abgespielt, damit der Bub nicht vor Gericht muss. Bei der Vernehmung schilderte er, wie er eingesperrt worden sei und dass ihn sein Vater mit einem Besen geschlagen habe. Den Angeklagten, die sich seit einem halben Jahr in Untersuchungshaft befinden, wird schwere Misshandlung von Schutzbefohlenen, gefährliche Körperverletzung und Freiheitsberaubung vorgeworfen. Das Urteil wird morgen erwartet. ULF VOGLER