Mit Stromstößen gegen Angreifer: Die Polizei in Essen präsentierte den Taser bereits vor drei Jahren. © Imago
München/Berlin – Die Bundespolizei bekommt eine neue Waffe. Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) will 10 000 „Distanz-Elektro-Impuls-Geräte“ (DEIG) oder kurz „Taser“ flächendeckend einführen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf brachte das schwarz-rote Bundeskabinett am Mittwoch auf den Weg. Noch in diesem Jahr wird die erste Phase der Beschaffung eingeleitet, fünf Millionen Euro stehen zur Verfügung. Die Bundespolizeigewerkschaft ist elektrisiert: „Bis wir komplett durch sind, wird einige Zeit ins Land gehen, aber der Anfang ist gemacht. Die Zusage des Bundesinnenministers wurde eingehalten, das begrüßen wir sehr“, sagte Heiko Teggatz von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG)
Die Einführung der Taser ist nicht unumstritten – für DPolG-Chef Rainer Wendt aber absolut nötig: „Die Einsatzkräfte der Bundespolizei sind immer öfter gewalttätigen Attacken ausgesetzt, sehr häufig mit Messern oder anderen gefährlichen Gegenständen. Sie müssen die Lage bereinigen, am besten ohne Schusswaffengebrauch. Das wäre aber häufig die einzige Alternative in solchen lebensgefährlichen Situationen und endet dann rasch tödlich für den Angreifer.“
Ganz anders sei das beim Taser, sagt Wendt: „Das DEIG setzt ihn kurzzeitig außer Gefecht, macht ihn bewegungslos, er kann entwaffnet und fixiert werden und ist schon nach wenigen Minuten wieder unverletzt auf den Beinen.“ Oft zeige schon der Anblick der Taser-Waffe Wirkung: „Aus allen Erfahrungsberichten wissen wir, dass viele Angreifer schon ihre Waffen fallenlassen, wenn das DEIG nur angedroht wird. Sie wissen, dass die Polizei es ernst meint und dass der Einsatz des Geräts Schmerzen verursacht. Dann kommen alle Beteiligten heil aus der Situation heraus.“
Bei einem Taser schießen Polizisten aus einer Distanz von mehreren Metern mit Draht verbundene Pfeile ab. Die fingerlangen Nadeln bohren sich mehrere Millimeter tief in die Haut und schocken den Getroffenen mit einem Stromimpuls. Das lähmt das Nervensystem und macht ihn mehrere Sekunden handlungsunfähig. Das neueste Modell verfügt über ein Magazin mit zehn Pfeilen und lässt sich aus mehr als 13 Meter Abstand feuern.
Laut DPolG hat der Taser einen großen Vorteil: Polizisten müssen nicht scharf schießen – können Gefährder aber trotzdem auf Distanz halten: Laut Bundespolizist und DPolG-Mitglied Marcus Haider müssen Beamte mit dem Schlagstock sehr nah an Angreifer heran – damit riskiere man selbst Verletzungen. Pfefferspray wirke häufig nicht, habe keine „Mannstoppwirkung“, so Haider. Häufig bleibe den Beamten zur Eigensicherung nur der Griff zur Dienstwaffe – mit potenziell tödlichen Folgen.
Dabei steigt die Zahl der Angriffe auf Polizisten seit Jahren: 2024 wurden laut der Polizeigewerkschaft jeden Tag durchschnittlich 305 Polizisten Opfer von Straftaten. Die Beamten auf der Straße hätten es zudem mit immer mehr drogenabhängigen oder psychisch auffälligen Menschen zu tun, die teils nicht mehr ansprechbar sind oder keinen Schmerz mehr spüren. Das führe zu Stress bei Beamten – und Schusswaffengebrauch: 2024 starben in Bayern vier Menschen durch Polizeikugeln, so viele wie seit 1997 nicht mehr.
Kritiker warnen davor, dass der Taser für Menschen mit Herz-Kreislauf-Problemen oder Asthma sowie für erschöpfte oder unter Drogen stehende Menschen gefährlich und potenziell tödlich sei. Der Deutsche Anwaltverein fordert darum klare Regeln etwa zu Zahl und Dauer der angewendeten Elektroschocks. Laut Bundesinnenministerium hat die Bundespolizei seit 2020 verschiedene Modelle von Elektroschock-Pistolen getestet. Bei mehr als 40 000 Einsätzen seien die Waffen in 16 Fällen genutzt worden. Dabei habe es keine Hinweise auf gesundheitliche Risiken gegeben. Unabhängige Experten und wissenschaftliche Studien hätten die Sicherheit der Geräte bestätigt. Ihr Einsatz erfolge „unter strikter Beachtung der Verhältnismäßigkeit“.THOMAS GAUTIER