Die Katakomben unter der Westseite des Maximilianeums: Hier wird Bayerns Politik untergraben.
Das Münchner Maximilianeum wurde 1874 fertiggestellt. Der Landtag zog 1949 ein. © Yannick Thedens
Viele Stockwerke unter den prunkvollen Parlamentssälen: Die Haustechnik im Maximilianeum wird bis 2032 komplett ausgetauscht. Landtagspräsidentin Ilse Aigner zeigt den Baufortschritt. © Peter Kneffel/dpa (2)
München – Elf Stockwerke über Ilse Aigner baumeln die riesigen Kronleuchter und prangen die wandfüllenden Ölgemälde des Maximilianeums. Doch hier unten: Staub und Lärm in gemauerten Katakomben, Dreck rieselt die groben Wände herab. Aigner umkurvt einen kleinen gelben Bagger, duckt sich unter einem grob gemauerten Torbogen durch, bleibt plötzlich stehen. „Cool, gell?“, murmelt sie. „Wie man so ein ehrwürdiges Gebäude so umbauen kann, 150 Jahre später – das fasziniert mich immer wieder.“
Mit der Landtagspräsidentin in die Unterwelt: Mitten in den laufenden Umbauarbeiten des Parlamentsgebäudes zeigt Aigner (CSU) unserer Zeitung, was da alles so geplant ist auf der weitgehend unterirdischen Riesenbaustelle am Isarhochufer. Für 183 Millionen Euro saniert der Landtag seine Keller und die komplette Haustechnik. Die Herzkammer der Demokratie will künftig einen Großteil ihrer Energie sparen und sich gleichzeitig weiter öffnen. Für Gäste, 60 000 pro Jahr, ist schon ein komplett neues Besucherfoyer entstanden im Westteil des Gebäudes, also Richtung Innenstadt. Neue Zugänge werden gelegt, Routen durchs Gebäude verändert, neue Betonfundamente eingezogen. Bis 2032 wird gegraben, gestützt, gebaut. Ja, das ist die Drecksarbeit der Politik: Nichts erinnert hier unten an die roten Teppiche und goldgerahmten Fenster der Landtagssäle irgendwo weit oben.
Es ist eh kein normales Gebäude, sondern eines der prächtigsten und geschichtsreichsten der Stadt. König Maximilian II. gab es 1857 in Auftrag, gedacht als Studienstiftung und Gemäldegalerie. 1874 wurde es fertig, dann schon unter Märchenkönig Ludwig II. Der Landtag zog erst 1949 als Mieter ein. So prächtig der denkmalgeschützte Bau auch ist, seine größten Geheimnisse liegen in der Unterwelt. Dutzende Meter mit Katakomben und Kavernen stützen das Areal, manche verschüttet. Vor vielen Jahren wurde mal ein Geheimgang bis runter ins Müllersche Volksbad entdeckt, von dem jahrzehntelang niemand wusste. Oder, andere Überraschung: Bei den Bauarbeiten 2022 sackte plötzlich ein Bagger ab, landete in einer geheimen Waffenkammer aus dem Ersten Weltkrieg mit 40 Karabinern und 400 Kilo Munition.
„Wir sehen Gebäudeteile, die 150 Jahre lang niemand gesehen hat und die bald auch wieder weg sind“, sagt Aigner andächtig. Zielsicher läuft sie durch die teils ziegelroten, teils staubgrauen Gänge. Deutet nach oben, plötzlich ein Stück freier Himmel, die imposante Fassade des Gebäudes ist zu sehen: Sie steht schräg unter der Westzufahrt, die ließ der König einst errichten, um mit seiner Kutsche vorfahren zu können. Die Hausherrin wirkt so, als kenne sie sich aus in jedem Meter Unterwelt, aber den Besuchern ruft sie zu: Bitte zusammenbleiben, „es ist schon ein bisserl ein Labyrinth hier“. Wer verloren gehe, werde vielleicht erst Jahrzehnte später wieder ausgegraben.CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER