Müllberge statt Recycling: Vor vielen Altkleider-Containern stapelt sich entsorgte Kleidung – und weiterer Abfall. © dpa
Er ist Überraschungen gewohnt: Antonio Rizzello leert BRK-Altkleider-Container. © Y. Thedens
München – Dominic Dieter ist beim BRK in Nürnberg für die Altkleidersammlungen zuständig – diese Aufgabe ist nicht arm an Überraschungen. Wenn die Container aufgeschlossen werden, kommt oft einiges zum Vorschein, was nicht darin hätte landen dürfen. Elektrogeräte, Hausmüll, Farbtöpfe – sogar tote Tiere. „Manchmal steht auch um den Container ein halbes Wohnzimmer“, berichtet Dieter. Viele Menschen würden dort einfach alles abladen, was nicht mehr gebraucht wird. Spätestens wenn es geregnet hat, muss alles entsorgt werden. Noch schlimmer ist es, wenn nasse oder verdreckte Textilien in den Container geschmissen werden, erklärt Dieter. Dann muss meist der gesamte Inhalt verbrannt werden.
Nicht nur das macht die Altkleidersammlung für die Organisationen immer mehr zum Draufzahlgeschäft. Die Situation auf dem Altkleidermarkt ist dramatisch, sagt BRK-Sprecher Sohrab Taheri-Sohi. Durch den Ukraine-Krieg und die Lage im Nahen Osten sind viele Absatzmärkte in Osteuropa und Afrika weggebrochen. Dorthin wurde ein Teil der Altkleider weiterverkauft, ein weiterer Teil landet in den Kleiderkammern oder in Secondhandläden der Hilfsorganisationen. So finanzieren die Verbände die Altkleidersammlungen. Sie müssen Container in Schuss halten, Standortmiete zahlen, Dienstleister mit der Leerung beauftragen, das Personal in den Kleiderkammern bezahlen – und die Entsorgung von nicht verwertbaren Textilien finanzieren. Und dieser Anteil wird immer größer. Das hat auch mit der Qualität der Kleidungsstücke zu tun. Gespendet werden immer mehr Fast-Fashion-Textilien, die für den Weiterverkauf oft zu minderwertig sind. Das sorgt zusammen mit dem wegbrechenden Absatzmarkt für fallende Preise bei Alttextilien. Zwei große Sortier-Unternehmen sind wegen Insolvenz bereits weggebrochen. Auch für sie ist die Arbeit nicht mehr wirtschaftlich.
Bisher gab es eine Vereinbarung, dass die Kleiderspenden kostendeckend an die Sortier-Dienstleister weitergegeben werden. Diese Regelung ist vielerorts zum 1. August ausgelaufen. „2024 haben wir noch rund 200 Euro pro Tonne Altkleider erhalten“, erklärt Taheri-Sohi. „Wenn es künftig nur noch 50 Euro sind, machen wir mit jeder Tonne ein dickes Minus.“ Das Rote Kreuz betreibt bayernweit 4200 Altkleider-Container und sammelt jährlich rund 14 700 Tonnen Textilien. Bei einem Abgabepreis von 50 Euro pro Tonne würde das minus 2,2 Millionen Euro pro Jahr bedeuten.
Immer mehr Kreisverbände geben das Altkleider-Sammeln auf. In Nürnberg wurden in den vergangen zwei Monaten 100 der 600 Altkleider-Container abgebaut. Auch weil durch eine neue EU-Regelung der Anteil nicht verwertbarer Textilien noch mal deutlich gestiegen ist. Die Richtlinie hat zwar für Deutschland keine Auswirkungen. Sie sieht vor, dass gut erhaltene Kleidung nicht im Restmüll landen darf, greift aber nur in Ländern, in denen die Altkleider-Recyclingquote unter 20 Prozent liegt. In Deutschland liegt sie über 60 Prozent. Doch die Richtlinie hat für Verunsicherung gesorgt, berichtet Dominic Dieter. Immer mehr verdreckte und kaputte Textilien landen jetzt im Container. „Der Todesstoß für das ohnehin angeschlagene System.“
Dasselbe berichtet der Tirschenreuther BRK-Kreisvorsitzende Sven Lehner. Dort sind bereits alle 19 BRK-Altkleider-Container abgebaut. Schon länger war es für den Verband ein Minusgeschäft, Ende Juni hatte der Sortierdienstleister dann den Vertrag gekündigt. „Einen anderen Anbieter haben wir nicht gefunden.“ Jetzt ist der Landkreis für die Altkleider zuständig – eigentlich ist das eine kommunale Aufgabe. Dem BRK werden nun aber regelmäßig Kleidersäcke vor die Einrichtungen gestellt, weil es keine Container mehr gibt, berichtet Lehner. „Die allermeisten Textilien werden jetzt im Restmüll landen.“
In München ist es noch nicht so weit. Antonio Rizzello leert für das BRK Container und bringt die Textilien zu einer Sortierstelle. Der Müllanteil liegt bei etwa 50 Prozent. An diesem Tag hat Rizzello aber eine gute Tour. Sein Wagen ist voll mit wasserdicht verpackten Kleidersäcken. Einiges lag aber wie immer lose im Container. In einem großen Müllsack haben er und sein Kollege nasse und dreckige Textilien gesammelt. Manchmal sind es viel mehr Säcke. Rizzello macht den Job seit 20 Jahren. „Früher“, sagt er, „wurde einfach noch mehr hochwertige Kleidung gespendet.“ Heute weiß er nie, was er findet, wenn er einen Altkleider-Container aufsperrt.