Ungewöhnliche Allianz: Missio-Geschäftsführerin Stephanie Brücks mit Michael Schmalzreich vom Schlossbräu Drachselsried. © Renzikowski/KNA
München/Drachselried – Am Ortseingang von Drachselsried im Zellertal unweit des Großen Arbers hängen die Fahnen vom Schlossbräu in Fetzen herab. Von den Wänden der Firmengebäude bröckelt der Putz. Die „Kalbsrolade m. hausgem. Eierspätzle“ zu 8,50 Euro, die mit Kreide auf die Tafel hinter dem Schankraum geschrieben steht, wird schon lange nicht mehr zubereitet. Die Zeiten hier waren schon mal besser. Auch wenn das im Bierkeller frisch gezapfte Zwickl wunderbar mundet.
Hier, tief im Bayerischen Wald, hat sich nun eine überraschende Allianz ergeben. Das katholische Hilfswerk Missio München hat vor drei Jahren eine Brauerei geerbt – und denkt gar nicht daran, sie gleich wieder abzustoßen. Obwohl der kleine Traditionsbetrieb rote Zahlen schreibt.
Hinter dem Erbe verbirgt sich ein tragisches Familienschicksal: Maria Anna Bruckmayer war schon 75, da musste sie von heute auf morgen beim Schlossbräu das Ruder in die Hand nehmen. Nach dem Tod ihres Mannes war 2009 auch ihr Sohn, damals Juniorchef, einem Krebsleiden erlegen. Vor drei Jahren ist nun auch Bruckmayer mit 89 Jahren gestorben. Ihr Unternehmen und weiteren Besitz vermachte sie Missio in München. Einzige Auflage: Zumindest fünf Jahre sollten alle zwölf Arbeitsplätze der Brauerei erhalten bleiben.
Missio-Geschäftsführerin Stephanie Brücks nähert sich der Aufgabe mit Enthusiasmus, aber nicht ohne Respekt. Um mit anpacken zu können, hat die Volkswirtin einen Gabelstaplerführerschein gemacht. Langfristig soll die Brauerei wieder in die Gewinnzone geführt werden. Ein Teil des Profits könnte dann in Missio-Projekte im globalen Süden fließen. So die Vision.
Zunächst muss aber ein Investitionsstau von rund 20 Jahren behoben werden. Große Anschaffungen waren fällig: Neue Heißwassertanks, die Sudpfanne brauchte einen neuen Boden, die Abfüllanlage eine Generalüberholung. Münchner Designerinnen frischten den Markenauftritt auf. Schmalzreich und seine Mannschaft wollen nicht kampflos klein beigeben. Woidkracherl heißt seine neueste Kreation: eine Limo aus Limette, Zitrone und Kräutern mit nur wenig Zucker, seit Herbst auf dem Markt. Die komme auch in München gut an, schwärmt Brücks.
Brauer Lorenz Aschenbrenner ist 71 Jahre alt, seit 57 Jahren im Betrieb. Und seit sechs Jahren offiziell in Rente, aber davon will er nichts wissen. „Die Brauerei ist mein Leben.“ Er macht weiter, Vollzeit. Auch am Geburtstag seiner Frau. „Des werd ma scho wieder hibringa“, sagt er und nippt an einem Pils. „War bisher immer so.“Christoph Renzikowski