Ein Pfund Kaffee für 9,59 Euro bis 9,99 Euro. Aufgenommen wurde dieses Bild im Juni 2025 im Landkreis Ravensburg. © IMAGO
München – Vorigen Freitag in einem Netto-Supermarkt in Passau. Zwei Männer gehen an der Kasse vorbei, die Kassiererin ist misstrauisch und spricht sie an. Tatsächlich: Die Männer versuchen, zwei Einkaufstüten mit Kaffeebohnen zu stehlen. Auf frischer Tat ertappt flüchten sie, das Diebesgut im Wert von mehreren hundert Euro lassen sie stehen.
So etwas kommt in Bayern täglich vor, nichts Auffälliges. Aber: Die Geschichte ist noch nicht zu Ende.
Am gleichen Tag, 40 Kilometer weiter in Hauzenberg, Kreis Passau. Gegen 19 Uhr betreten zwei Männer und eine Frau mit Taschen einen Netto. Sie packen zwei Tragetaschen voll, wollen das Geschäft aber ohne Taschen verlassen. Eine Mitarbeiterin spricht das Trio daher an, die drei Unbekannten verlassen überstürzt das Geschäft. Die alarmierte Polizei findet zwar zwei Taschen mit Diebesgut – stellt aber fest, dass die Täter trotzdem 15 Packungen Bohnenkaffee geklaut haben.
Jetzt wurde man in Niederbayern hellhörig. „Aufgrund dieser Diebstähle wurden die umliegenden Filialen informiert und führten Bestandsaufnahmen durch“, teilt die Polizei mit. Und tatsächlich: In einem Netto-Markt in Windorf fehlten fast 50 Packungen Kaffee im Wert von etwa 1000 Euro. Entwendet wohl auch am Freitagabend. Und in Eging am See war die Aufregung so groß, dass die Filiale zunächst meldete, dass 450 Packerl Kaffee fehlen. Wert 11 000 Euro. Als noch mal durchgezählt wurde, fehlten am Ende immerhin 64 Packungen für einen unteren fünfstelligen Betrag. Weil die Nottüren laut Polizei gut gesichert sind, gehen die Ermittler davon aus, dass die Ware aus der normalen Tür geschmuggelt wurde. Was ist da los?
Kaffee ist derzeit Luxusware, oder wie ein Vorstand der Supermarkt-Kette Spar im Frühjahr sagte: „Kaffee ist das neue Gold.“ Das merkt jeder im Supermarkt. Mitte Mai kostet ein Pfund Dallmayr Prodomo naturmild bei einem Münchner Edeka 9,79 Euro. Gerade gibt es ihn im Angebot für 6,99 Euro – ein hohes Niveau. Die Teuerung geht auch aus den aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamts hervor. Die Verbraucherpreise für Bohnenkaffee erhöhten sich im April um gut zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, im Vergleich mit April 2021 sogar um fast ein Drittel. Grund sind die deutlich gestiegenen Importpreise für Rohkaffee, die wegen Ernteausfällen durch Extrem-Wetter stark angezogen haben. Das wichtige Erzeugerland Brasilien litt 2024 unter großer Trockenheit. Das treibt die Preise hoch. Und was teuer ist, wird gerne geklaut.
Das bestätigt Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern. „Kaffee ist teuer, aber klein, und lässt sich daher leicht stehlen.“ Ladendiebstahl nimmt stetig zu, sagt er. 2024 entstand dem Handel in Bayern ein Schaden von 380 Millionen Euro, 2023 waren es 360 Millionen. Vom großen Kaffee-Klau will er nicht sprechen, aber die niederbayerischen Fälle lassen ihn aufhorchen – zumal aus anderen Regionen drastische Entwicklungen gemeldet werden.
Aus Berlin zum Beispiel. „Wer hier ein Pfund Kaffee kaufen möchte, muss zur Stehkasse kommen, wo auch Zigaretten und teure Spirituosen herausgegeben werden“, schreibt die „B.Z.“. Der Kaffee-Diebstahl habe so zugenommen, „dass wir uns schützen müssen“, sagt eine Edeka-Mitarbeiterin. In einem anderen Markt hängen nur noch Fotos von Kaffeepackungen. Wer Kaffee kaufen will, meldet sich beim Personal. Ähnliche Berichte gibt es aus Sachsen. In Niederbayern hofft die Polizei auf Zeugen – und auf die Auswertung von Videomaterial. CARINA ZIMNIOK