Die Retterin der Fundsachen

von Redaktion

Kistenweise Markenkleidung hat Ines Reithmeier im Moosburger Gymnasium abgeholt. Niemand scheint die vergessenen Stücke zu vermissen. © Rainer Lehmann

Nandlstadt – Ines Reithmeier ist es schon gewohnt, dass sie zu Beginn der Sommerferien manchmal etwas fassungslos ist. Dieses Jahr musste sie aber noch häufiger den Kopf schütteln als sonst. Seit sieben Jahren kümmert sich die 58-Jährige im Gymnasium in Moosburg im Kreis Freising um die Fundsachen, die Schüler das ganze Jahr über verlieren und offenbar nicht vermissen. Obwohl ihre Kinder die Schule schon längst nicht mehr besuchen, das Ehrenamt hat sie nie abgegeben. Doch von Jahr zu Jahr sind es mehr prall gefüllte Müllsäcke, die sie in ihrem Auto nach Hause fährt, um die Kleidung dort zu sortieren. Dieses Jahr waren es neun Säcke. Und als Reithmeier sie zu Hause in Nandlstadt geöffnet hat, konnte sie kaum glauben, was dieses Jahr in der Schule liegen geblieben ist, ohne dass es vermisst wurde.

„Schuhe, Jacken, Taschen, Handschuhe und Schals und über 80 Mützen“, berichtet sie. Etliches davon teure Markenklamotten, die kaum getragen waren. „Ich habe Jacken von Engelbert Strauß gefunden“, erzählt Reithmeier. „Und Hallenturnschuhe von Adidas, die aussehen, als ob sie noch nie einen Hallenboden gesehen haben.“ Auch Skihandschuhe von Sport Scheck und FC-Bayern-Fußball-Shirts wurden verloren und offenbar nicht vermisst. Obwohl die Schule das ganze Jahr alles dafür tut, damit die Fundsachen wieder zu ihren Besitzern kommen, berichtet Reithmeier. „Der Hausmeister hängt sie an allen Elternsprechtagen auf Garderobenständen in der Aula auf.“ Doch offenbar interessieren sich nicht mal viele Eltern für die teuren Kleidungsstücke, die ihre Kinder im Laufe des Schuljahrs irgendwo im Schulhaus liegen gelassen haben. Ines Reithmeier kann das nicht nachvollziehen. „Ich finde es sehr traurig, dass die Sachen einfach neu gekauft werden“, sagt sie. Im Sinne der Nachhaltigkeit sei das nicht.

Die 58-Jährige hat einen ganzen Nachmittag lang Kleidungsstücke sortiert. „Nicht mal zwei Prozent sind beschädigt, würde ich schätzen.“ Sie hat jeden Reißverschluss überprüft, alle Taschen geleert. Bei der Anzughose mit Bügelfalten musste sie kurz stutzen. Und immer wieder hat sie im Kopf überschlagen, wie viele tausend Euro in Form von Klamottenstapeln gerade vor ihr liegen. Danach hat sie alles in Kisten verpackt, um die Fundsachen an die Deutsche Kleiderstiftung nach Helmstadt und die Aktion „Platz schaffen mit Herz“ der Firma Otto zu schicken. Das Porto dafür ist kostenlos, das Schleppen, Sortieren und Packen ist viel Arbeit. „Eigentlich bittet die Kleiderstiftung sogar darum, dass die Sachen gewaschen werden.“ Das kann Reithmeier allerdings nicht auch noch leisten.

Sie tut sich diese auch körperlich anstrengende Aufgabe jedes Jahr aufs Neue an, weil sie den Gedanken nicht ertragen kann, dass hochwertige, nahezu ungetragene Kleidung einfach entsorgt wird. Viel sinnvoller fände sie es aber, wenn die Schule von den Fundsachen profitieren könnte, betont sie. Das sei aber juristisch nicht so einfach, habe man ihr gesagt. Denn wenn die Kleidung auf einem Flohmarkt verkauft werde und ein Schüler seine Markenjacke plötzlich wiedererkennt, droht Ärger.

Die Moosburger Fundsachen hat Ines Reithmeier bis auf eine letzte Kiste bereits alle auf den Weg gebracht, damit sie neue Besitzer finden. Allerdings gibt es noch einen kompletten großen Müllsack, voller Brotzeitdosen, Trinkflaschen, Ordner und Stifte, die niemand vermisst. Davon wird das meiste im Müll landen, sagt die 58-Jährige. Es tut ihr in der Seele weh. Genau wie die Vorstellung, dass in ein paar Monaten schon wieder ein paar Müllsäcke mit Kleidungsstücken zusammengekommen sein werden.

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