Fahren auf München ab: Maximilian Krauß (re.) ist bei der S-Bahn, Bruder Philipp bei der MVG. © Oliver Bodmer
München – Eines stellt Maximilian Krauß (29) gleich mal klar: „Abwerben kam nie infrage.“ Sein Bruder nickt. So ist es wohl. Jeder ist mit seinem Job glücklich: Maximilian, der Triebfahrzeugführer bei der S-Bahn, und Philipp, sein um eine Minute älterer Zwillingsbruder, als Fahrer von Bus und Tram bei der Münchner MVG. Ein Doppelleben für Rot und Blau, für die rote S-Bahn und die blaue MVG, für den Münchner Nahverkehr – ja so was gibt’s.
Die hoch aufgeschossenen Brüder – Maximilian übertrumpft Bruder Philipp mit seinen 1,99 Metern aber noch um drei Zentimeter – sind wohl das, was man leidenschaftliche Eisenbahner nennt. Seit der Kindheit ist das so, erzählt Philipp. Da durften sie ganz klassisch mit der Modelleisenbahn des Onkels spielen. Manchmal drehten Onkel und Tante mit den Buben auch ein paar Runden im Bus. Einfach so, weil die Kinder Spaß dran hatten. Und den haben sie auch als Erwachsene nicht verloren. Einträchtig sitzen sie sich in der Kantine der Münchner S-Bahn-Zentrale unweit des Ostbahnhofs gegenüber und berichten über ihr Gemeinschaftsleben. Sie wohnen zusammen in einer WG in Markt Schwaben (Kreis Ebersberg), eine Nahverkehrs-WG also. Und eine WG im Schichtbetrieb. „Es gibt Zeiten, da sehen wir uns zwei, drei Tage nicht“, sagt Maximilian.
Dafür fahren sie zusammen in den Urlaub (zuletzt Dänemark, mit dem Camper), und teilen dieselbe Leidenschaft – nur eben farblich getrennt in Rot und Blau, S-Bahn-Rot und MVG-Blau. Fast alles ist durchgestylt. Handyhülle: Philipp blau, Maximilian rot. Die Armbanduhr. Dasselbe Modell, nur die Armbänder sind verschieden – blau und rot. Das Auto: Beide nennen einen hochmotorisierten Audi ihr eigen. 354 PS, sagt Philipp, und zeigt ein Handyfoto: die Autos sind blau und rot. Philipp muss selber lachen. Dabei hatten die Eltern es eigentlich anders geplant: Philipp und Maximilian sollten sich möglichst unterscheiden. Also gingen sie in verschiedene Kindergartengruppen, in verschiedene Klassen – damit der Freundeskreis nicht der gleiche ist. „Hat nicht funktioniert“, sagt Philipp. Beide sind Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Markt Schwaben – und da sind die Kumpels halt doch die gleichen, auch wenn die Verwechslungsgefahr die Feuerwehr-Freunde mitunter in den Wahnsinn treibt. Einmal wurde auch ein Fahrgast verwirrt, der von der S-Bahn in den Bus umstieg und vermeintlich denselben Fahrer vor sich hatte. „Wie sind Sie denn so schnell umgestiegen“, fragte der Mann verdutzt – ehe ihn Philipp aufklärte.
Als Eisenbahner im Betriebsdienst hat Maximilian bei der S-Bahn eine solide Ausbildung durchlaufen. Mittlerweile ist er aufgestiegen, bildet auch Nachwuchskräfte aus. Und fährt mit der roten 423er – so die Bauart der S-Bahn – quer durch das MVV-Gebiet. Lieblingsstrecken: die nach Altomünster und die nach Wolfratshausen. Philipp sitzt derweil wahrscheinlich in einem Bus, am liebsten den sogenannten Buszug (Bus mit Anhänger), und kurvt möglichst auf engen Straßen durch München. Gerne auf der Linie 54, die vom Scheidplatz quer durch München-Schwabing bis zum Lorettoplatz führt. Wobei: Eigentlich kann er jede der 84 Münchner Buslinien fahren, „ich kenne fast alle“. Wenn er nicht in der Tram sitzt – die darf er auch fahren – er ist einer von rund 100 Kombifahrern bei der MVG, die beide Fahrlizenzen besitzen. Die Brüder verdienen auch fast gleich viel.
Es gibt nur einen Bereich, da sehen beide rot: Richtig, Fußball. Beide sind eiserne FC-Bayern-Fans, da hört die Liebe zu Blau auch bei Philipp auf. DIRK WALTER