Wieder Wirbel um den Wolf

von Redaktion

Bundeslandwirtschaftsminister kündigt neue Bewertung bis Herbst an

Einigkeit, fürs Foto und beim Wolf: Die Minister Michaela Kaniber (Bayern) und Alois Rainer (Bund) bei der Almbegehung. © dpa

Ruhpolding – Es ist Stau in den Chiemgauer Alpen. Zwischen Thoraualm und Eschelmoosalm zehn Minuten stockender Fußverkehr. An einer schmalen Stelle auf rund 1250 Metern geht es kaum voran. Eine waghalsige Wanderin setzt zum Überholmanöver am Steilhang an, findet aber auf der matschigen Wiese keinen Halt. Resigniert rutscht sie auf ihren Platz in der Schlange zurück. Derartige Staus am Berg kennt man vom Massentourismus auf der Zugspitze. Doch die knapp 1000 Menschen, die sich am Mittwochvormittag im Almbezirk Ruhpolding tummeln, sind nicht dort fürs das perfekte Gipfel-Foto, sondern um an der 78. Hauptalmbegehung des Almwirtschaftlichen Vereins teilzunehmen.

Es ist ein wichtiges Treffen, der erste Alm-Auftritt des neuen Bundeslandwirtschaftsministers Alois Rainer (CSU). Bei strahlendem Sonnenschein, begleitet von einer Blaskapelle präsentiert er vor der Thoraualm die Bilanz seiner ersten 100 Tage im Amt – mit denen nicht alle zufrieden sind. „Die ersten 100 Tage waren ein Kurswechsel hin zu einer Politik für mehr Vertrauen und für mehr Wertschätzung für unsere Landwirtschaft“, erklärt der Minister. Es sei ihm ein großes Anliegen, den Agrarsektor zu stärken und Bürokratie abzubauen. Das gehe sein Ministerium entschlossen an: Seit Mai 2025 sei die Landwirtschaft bereits um mehr als 20 Millionen Euro Bürokratiekosten entlastet worden, so Rainer.

Doch Aufgabe der Politiker ist bei der Hauptalmbegehung nicht, die eigenen Erfolge aufzuzählen, sondern auf die Sorgen der Almbauern einzugehen. Das ist dieses Jahr vor allem: der Wolf. Die Landwirte sehen ihre Rinder und die Bewirtschaftung ihrer Almen durch die Raubtiere bedroht. Damit er leichter bejagt werden kann, fordern sie seit Jahren, dass der bislang streng geschützte Wolf in einen „guten Erhaltungszustand“ eingestuft wird. Das hat die Bundesregierung vor wenigen Tagen gemeldet – aber nur für den Norden, nicht für den Alpenraum.

Rainer verspricht, dass das bis zum Herbst nachgeholt werde. In Deutschland gebe es ungefähr 2500 Wölfe, das sei die höchste Dichte weltweit. „Deshalb ist für mich der Bestand des Wolfes in Deutschland definitiv nicht gefährdet.“ Das zuständige Bundesumweltministerium habe ihm zugesagt, im Herbst den guten Erhaltungszustand zu melden.

Günther Felßner, Präsident des bayerischen Bauernverbands, hält dies für eine Verschleppungstaktik des Umweltministeriums. „Es kann nicht sein, dass wir jeden Wolf beim Namen kennen, aber dann sagen, wir haben die Monitoring-Daten für den Erhaltungszustand noch nicht“, sagt er. Er hoffe dennoch, dass der Wolf bis zur nächsten Hauptalmbegehung ins Jagdrecht aufgenommen werde. Der bayerische Landesbund für Vogel- und Naturschutz findet hingegen, es sei ein Fehler, einen guten Erhaltungszustand des Wolfes zu melden. Dass Politiker trotz rückläufiger Populationen daran festhalten, sei nicht verständlich.

Rückendeckung erhält Rainer von Bayerns Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU). Sie findet ebenfalls, dass der gute Erhaltungszustand mit 2500 Wölfen in Deutschland erreicht ist. Einwände kann sie nicht nachvollziehen: „Heißt das, dass der gute Erhaltungszustand dann erreicht ist, wenn der Wolf am Marienplatz in München spazieren geht oder am Garmischer Marktplatz? Das geht nicht.“ Außerdem halte sich der Wolf nicht an Landesgrenzen, weshalb das Thema auf Bundesebene geklärt werden müsse. Rainer hofft, dass der Wolf bis Ende Januar ins Bundesjagdgesetz aufgenommen wird.

Nach den Reden setzt sich die Politprominenz noch für eine gemeinsame Brotzeit an den Tisch. Es gibt Wiener und belegte Semmeln – und damit sich der restliche Weg nicht mehr so lang anfühlt, trinken manche noch einen Enzian. SOPHIA BELLIVEAU

Artikel 3 von 11