Detailarbeit: Im Kleinen sieht alles originalgetreu aus.
Sein Herzensprojekt: Thomas Doneis hat eine Miniatur-Version von Schloss Neuschwanstein geschaffen. © Marcus Prell (2)
Schwangau/Wendeburg – Am Anfang war ein riesiger Block aus Sandstein. 2,80 Meter lang, 1,20 Meter breit, über zwei Meter hoch und 21 Tonnen schwer. Ein Monstrum, das mit dem Schwerlastkran zu Thomas Doneis nach Wendeburg in Niedersachsen transportiert wurde. Inzwischen ist daraus ein prachtvolles Kunstwerk geworden: Schloss Neuschwanstein. Seit zehn Jahren arbeitet der Bildhauer an einer Nachbildung des Märchenschlosses. „Ich wollte etwas Einmaliges schaffen“, sagt der 57-Jährige. „Und Neuschwanstein kennt im Ausland jeder, der Bau war eine Meisterleistung.“
Genauso wie seine Miniaturausgabe im Maßstab 1:62, die dieses Jahr vollendet und verkauft werden soll – für elf Millionen Euro. Gerade hat Doneis den Wintergarten fertiggestellt, jetzt arbeitet er am Hauptdach, wo noch einige Details wie Gauben fehlen. „Es muss jeder Handschlag beim ersten Mal sitzen“, sagt er. „Wenn man einen Fehler macht, ist es vorbei.“
Die Bildhauerei hat sich Thomas Doneis vor 25 Jahren selbst beigebracht. Nach einer Rinderzucht-Ausbildung arbeitete er bei Steinmetzen sowie im Gartenbau – und entdeckte den Naturstein. Früher ist Thomas Doneis außerdem um die Welt gereist. Die Tattoos im Gesicht und am gesamten Körper erinnern daran, sie sind in Indonesien, Neuseeland und auf Samoa entstanden und wurden von Ureinwohnern gestochen.
Doch für sein Herzensprojekt hat er die Weltenbummlerei aufgegeben. Rund 30000 Arbeitsstunden und viel Geld hat er in das Schloss gesteckt, auf Urlaube und freie Wochenenden verzichtet, jeden Tag ist er stundenlang im Atelier gestanden. „Ich mag das Limit“, sagt er. „Mir gefällt es, wenn ich herausgefordert werde.“
Und der Nachbau von Neuschwanstein ist eine besonders große Herausforderung. „Ich hatte keine Baupläne“, erzählt er. Mehrfach hatte der 57-Jährige das Schloss besucht, er sammelte Unterlagen, führte Gespräche mit Architekten und beauftragte einen Fotografen. 4000 Arbeitsfotos halfen ihm dabei, das Schloss in den Steinblock zu schnitzen.
Zuerst standen die groben Arbeiten am Stein an. Neben Flex, Hammer und Meißel nutzte Thomas Doneis dafür auch Spezialmaschinen. Rund sieben Tonnen wiegt das Schloss inzwischen noch. Jetzt geht es um die Details. „Mittlerweile arbeite ich mit Dentaltechnik und Diamantwerkzeug“, sagt er. Dem Künstler ist wichtig, alles originalgetreu nachzubilden. Dazu gehören mehr als 800 Säulen und 500 Fenster. In jedes davon ist ein Glas eingearbeitet. Die Fassade ist mit Mauersteinen und Fugen gestaltet, jeder Erker, jede Balustrade und jede Figur, die am großen Schloss zu sehen ist, gibt es auch im Kleinen. Die Wetterfahne hat er genauso aus Stein gemeißelt wie den heiligen Georg oder die heilige Maria mit Kind. „Bei der Arbeit kommt es auf jeden Millimeter an“, erklärt er.
In etwa in einem Vierteljahr wird alles fertig sein. Thomas Doneis ist schon gespannt, wo das kleine Neuschwanstein einmal landen wird, wenn es dann verkauft wird. „Ich könnte mir gut vorstellen, dass es in München ausgestellt wird“, sagt er. „Das wäre auch für die vielen Touristen interessant.“
Mit dem Verkaufserlös möchte er Projektkosten bezahlen. Am Anfang hatte er alles selbst finanziert, später bekam er Unterstützung von Sponsoren. „Einen Teil des Geldes werde ich spenden“, kündigt er an. Den gesamten Nachbau hat er mit Bildern dokumentiert, demnächst erscheint ein Buch dazu. „In den zehn Jahren gab es so viele Höhen und Tiefen und ich habe so viel Herzblut in das Projekt gesteckt“, sagt Thomas Doneis. Er prophezeit: „Da werden schon ein paar Tränen kommen, wenn das Schloss dann weggeht.“ CLAUDIA SCHURI