Geologe Stefan Kellerbauer (l.) vor dem Felssturzbereich im hinteren Wimbachtal kurz vor dem Trischübelpass. © NPV
Ramsau – Im Internet kursiert das Video noch immer, das zeigt, wie tausende Tonnen Fels mit aller Wucht vom Berg rutschen. Nur gut 150 Meter entfernt stand am Dienstag ein Wanderer im hinteren Wimbachtal im Berchtesgadener entfernt. Ein Felsbocken verletzte ihn am Bein, aber der 46-jährige Hesse überlebte. Genau wie 19 weitere Wanderer, die nach dem Felssturz im Nationalpark Berchtesgaden von der Bergwacht per Helikopter ausgeflogen werden mussten (wir berichteten). Seitdem sind die Wege 411 und 421 unpassierbar.
Doktor Stefan Kellerbauer, Geologe aus Marktschellenberg, hat den betroffenen Bereich kurz vor dem Trischübelpass zwei Tage nach dem massiven Felssturz nun im Auftrag der Nationalparkverwaltung in Augenschein genommen. Einem Sprecher zufolge besteht vor Ort weiterhin Lebensgefahr. Die Sperrung des verschütteten Steiges sei deshalb weiterhin unausweichlich. „Da nicht alle labilen Bereiche abgegangen sind, besteht die Gefahr eines weiteren Felssturzes“, sagt Stefan Kellerbauer. 4000 Kubikmeter Fels seien am Dienstag abgebrochen. „Aber es gibt an der Ausbruchstelle noch ein labiles Volumen von mindestens der gleichen Größe, eventuell sogar mehr.“
Zudem hat der Geologe eine offene Spalte in der Felswand gesichtet, aus der bereits Material ausgetreten sei. Von unten erkennt man den Bereich, wo Gestein abgerutscht ist, gut. An der frischen Abbruchstelle ist der Fels rötlich gefärbt. Daneben befindet sich der tiefe Riss, der prophezeit, welche Masse an Gestein hier demnächst vom Berg abbrechen könnte.
Der Bereich des Felssturzes befindet sich laut dem Sprecher des Nationalparks in einer sogenannten geologischen Störungszone, die über viele Kilometer in den nördlichen Kalkalpen verfolgbar ist. Sie wird Torrener Joch-Zone genannt und setzt sich bis nach Österreich ins Lammertal fort. Das dortige Gestein sei dem Sprecher zufolge durch tektonische Vorgänge stärker zerbrochen als im Umfeld, was das Auftreten von Felsstürzen begünstige. Nun soll noch ein Gutachten erstellt werden, was mehrere Wochen dauern dürfte.
Der Revierleiter des Nationalparks, Martin Weckel, bittet darum, die Sperrung des Bereichs weiterhin ernst zu nehmen: „Niemand weiß, wann weiteres loses Gestein abgeht. Das kann jederzeit der Fall sein.“ Der Weg sei auf einer Länge von rund 100 Metern komplett verschüttet, und auch im weiteren Umgriff der Sturzrinne bestehe akute Steinschlaggefahr. Bis das nächste Gutachten fertiggestellt ist, prüft die Nationalparkleitung Alternativen für die gesperrten, aber sonst hochfrequentierten Wege. Aktuell sind von der Sperrung die Wege vom Parkplatz Wimbachbrücke zu den Berghütten Wimbachschloss und Wimbachgrieshütte sowie der Abstieg von der Watzmann-Südspitze ins Wimbachtal nicht betroffen.
Das spröde Kalkgestein in der Region hatte auch früher schon zu Felsstürzen geführt. Erst vergangenes Jahr waren laut Parkverwaltung Felsmassen ins Tal gedonnert. Einen wesentlich größeren Felssturz, bei dem sich etwa 200 000 Kubikmeter gelöst hatten, gab es im September 1999.SEBASTIAN SCHLENKER