Flüssige Drogen können in Cocktails gekippt werden. © imago
München – K.o.-Tropfen machen ihrem Namen alle Ehre. Drei Burschen und eine Frau mussten das vor Kurzem auf dem kleinen Bachfest in Oberhaching im Kreis München am eigenen Leib erfahren. Einer der Burschen bat seine Freunde wegen plötzlicher Übelkeit, mit ihm spazieren zu gehen. Kurz danach konnte er sich kaum mehr bewegen und musste in stabile Seitenlage gebracht werden. Dann Herzrhythmusstörungen, Atemnot. Der Arzt bestätigte: Alkohol allein war es nicht, was ihn kurzzeitig so aus dem Leben katapultiert hat.
K.o-Tropfen können töten. Das Landgericht Bamberg hat 2017 einen Mann zu vier Jahren Haft verurteilt, weil dieser flüssiges Ecstasy mit zu einer Party gebracht hatte und sein Freund daran starb. Er nahm die Droge damals wissentlich. K.o.-Tropfen sind nichts anderes, nur dass Täter sie eben heimlich in die Getränke anderer Menschen kippen. Auf dem Otterfinger Dorffest im Kreis Miesbach brach Anfang August deshalb eine 16-Jährige zusammen, auf dem Brucknfest in Truchtlaching im Kreis Traunstein sollen zwei Männer einer 13-Jährigen ein Getränk mit K.o.-Tropfen geschenkt haben.
„Fälle mit K.o.-Tropfen gibt es immer wieder, regional lässt sich dabei aber kein Schwerpunkt ausmachen“, sagt Polizeioberkommissar Daniel Katz, Sprecher beim Polizeipräsidium Oberbayern Süd. 2022 wurden über 20 Fälle registriert, 2021, 2023 und 2024 je um die zehn. Die Zahlen, die Katz im Polizeisystem recherchiert hat, könnten aber täuschen. „Es ist von einer brutal hohen Dunkelziffer auszugehen“, sagt er. „Das Schamgefühl vieler Betroffener ist oft zu groß, als dass sie das, was ihnen passiert ist, anzeigen.“
Wo K.o.-Tropfen in Getränke geträufelt werden, wird ziemlich sicher gefeiert – und Alkohol getrunken. Liquid Ecstasy schmeckt nach nichts. Nach dem bösen Filmriss muss sich ein Teil der Betroffenen am nächsten Tag erst mal klar werden, was passiert ist. Um einen möglichen Anschlag mit K.o.-Tropfen nachzuweisen, ist es dann aber meist zu spät. Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB) und dessen Vorstufe Gamma-Butyrolacton (GBL) heißen die klaren Wirkstoffe, die rein oder mit mindestens 20 Prozent Gehalt als K.o.-Tropfen missbraucht werden. Sie sind nur rund zwölf Stunden im Blut nachweisbar, Reste im Urin nur geringfügig länger.
„Je nach verabreichter Substanz und Dosis können sich die Symptome unterscheiden – von leichter Benommenheit bis hin zur tiefen Bewusstlosigkeit“, erklärt Sohrab Taheri-Sohi, Sprecher des Bayerischen Roten Kreuzes. „Viele Anzeichen ähneln denen eines Alkoholrausches oder anderer Intoxikationen, was eine klare Einordnung im Einsatz oft unmöglich macht.“ Sanitäter helfen, unabhängig von der Ursache der Symptome. Nur wenn Betroffene ins Krankenhaus eingeliefert werden, kann festgestellt werden, ob und welche Substanzen im Spiel waren. So kommt es, dass Hilfsangebote wie die „Sichere Wiesn für Mädchen und Frauen“ in ihrer Oktoberfest-Bilanz vergangenes Jahr nur zwölf „ernst zu nehmende Verdachtsfälle“ auf K.o.-Tropfen meldet.
Aktuell läuft die Festsaison auf Hochtouren – und die Veranstalter sind wachsam. „K.o.-Tropfen haben wir immer auf dem Schirm“, sagt Andrea Schneider von S’Ziegler Partyzelt auf dem Dachauer Volksfest. „Wir kontrollieren am Eingang nicht nur im Hinblick auf den Jugendschutz, sondern auch Taschen auf Flüssigkeiten.“ Mehr Prävention könnten Veranstalter nicht leisten. „Das ersetzt nicht die Eigenverantwortung: Man sollte sein Getränk immer gut im Auge behalten.“ Die Polizei rät außerdem dazu, unter Freunden beim Feiern gegenseitig auf sich zu achten. Das Thema beschäftigt auch das Bundeskabinett: Am 2. Juli hat es einen Gesetzentwurf beschlossen, um Stoffe wie GBL und BDO zu verbieten.