Die Kundin wird zur Kassiererin: Eine Frau scannt die eingekauften Produkte an der Selbstbedienungskasse. © Oliver Berg
München – Neulich im Rewe-Supermarkt, Zolling, Kreis Freising. Dort gibt es schon seit einiger Zeit Selbstbedienungskassen, an denen die Kunden ihre gekauften Produkte über einen Scanner ziehen, bis es piept, und anschließend mit Karte bezahlen. Normalerweise sind die Kassen mit Personal daneben auch besetzt – gerade aber nicht, das zeigen Schilder auf dem Warenband. „Personalmangel“, sagt eine Aushilfe und zuckt mit den Schultern.
Wird das der neue Standard? Rewe lässt eine Anfrage unbeantwortet, aber fest steht: Es gibt in Bayern immer mehr Einkaufsmärkte, an denen die Kunden sich selbst abkassieren. Beispiel: dm. In Bayern hat die Drogeriekette aktuell 388 Märkte, in 120 gibt es auch SB-Kassen, das werden nach und nach mehr werden. Wie der Gebietsverantwortliche Alexander Grunwald sagt, setzt dm auf die persönliche Betreuung an der Kasse. „In der Regel ist mindestens eine Kasse mit dm-Mitarbeitenden besetzt.“ Sollte es „vereinzelt“ vorkommen, dass vorübergehend keine Kasse besetzt ist, seien die Mitarbeiter gerade mit anderen Aufgaben beschäftigt, zum Beispiel mit Beratung oder dem Einräumen. Grundsätzlich sei die Reaktion der Kunden aber positiv, vor allem bei kleineren Einkäufen oder wenn die Schlange an der normalen Kasse lang ist.
Es gibt aber auch negative Folgen. Die sieht zum Beispiel Franz Wölfl, Vorsitzender der Landesseniorenvertretung Bayern. Er kauft täglich bei Rewe in Landshut ein, seit zwei bis drei Wochen seien dort zehn SB-Kassen aufgestellt. Daneben zwei klassische Kassen. „Für ältere Menschen bedeutet die Einführung von Selbstzahlerkassen längere Wartezeiten an den weniger gewordenen herkömmlichen Kassen“, sagt Wölfl. Außerdem findet er es bedauerlich, dass es nicht mehr möglich ist, mit dem Personal an der Kasse „ein Schwätzchen zu halten, und wenn es nur aus ,Guten Tag‘ und ,Heute ist es aber wieder sehr heiß‘ besteht“. Diese zwischenmenschlichen Kontakte seien gerade für ältere Menschen sehr wichtig. Zudem legen Wölfl zufolge vor allem ältere Menschen Wert darauf, bar zu zahlen. Deshalb appelliert die Landesseniorenvertretung immer wieder an die Politik, Bargeldzahlungen dauerhaft zu ermöglichen. Nur: An den SB-Kassen geht das nicht. Grundsätzlich findet die Landesseniorenvertretung SB-Kassen aber vertretbar, auch, weil sie leicht zu bedienen sind.
Wenn die Kunden mitarbeiten, sparen die Händler Personal. Doch das hat wiederum seinen Preis. Denn: Ladendiebstahl in Deutschland nimmt einer Studie des Forschungsinstituts EHI zufolge jedes Jahr zu. Im Jahr 2024 haben Kunden Waren im Wert von rund 2,95 Milliarden Euro gestohlen. Das waren 4,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Gesamtschaden steigt damit das dritte Mal in Folge und erreicht einen Höchststand. Auch in Bayern wird immer mehr geklaut: 2024 entstand dem Handel in Bayern ein Schaden von 380 Millionen Euro, 2023 waren es 360 Millionen. Einen Grund für die starke Zunahme sehen Experten darin, dass eben verstärkt Selbstbedienungskassen genutzt werden.
Fast die Hälfte der Händler, die sie verwenden, berichten über mehr Schwund. „An SB-Kassen wird deutlich mehr geklaut – teils auch unbeabsichtigt durch Bedienfehler“, sagt Frank Horst, der für die EHI-Studie 98 Unternehmen mit insgesamt 17 433 Verkaufsstellen befragt hat. Auch in Bayern sehen Branchenkenner SB-Kassen als Einfallstor für Ladendiebe. „Da merkt niemand, ob man jetzt vier Packungen Kaffee scannt oder nur drei und eine so einsteckt“, sagt einer aus dem Handel. Und auch bei dm spricht Alexander Grunwald von Ladendiebstahl als der „großen Herausforderung“. Einen Zusammenhang mit den SB-Kassen stelle man allerdings nicht fest.