Die Hilfsorganisation „Science 4 People“ hilft den ukrainischen Schulkindern unter anderem mit Nachhilfe. © privat (2)
Ausstattung geliefert: Ferenc Krausz brachte einige der gespendeten Projektoren und Laptops persönlich in die Ukraine.
Ferenc Krausz ist Professor der LMU und Direktor am Max-Planck-Institut für Quantenphysik in Garching. Vor knapp zwei Jahren hat er den Physik-Nobelpreis für seine Forschung zu Attosekunden gewonnen. Einen Großteil des Preisgeldes hat der 63-Jährige in eine Hilfsorganisation gesteckt, die Kindern in der Ukraine während des Krieges einen Zugang zur Bildung sichert. Erst vor ein paar Tagen ist er aus der Westukraine zurückgekehrt. Im Interview berichtet er, warum dieses Projekt für ihn eine so große Herzenssache ist.
Sie haben kurz nach Kriegsbeginn in der Ukraine die Hilfsorganisation „Science 4 People“ gegründet. Was hat den Anstoß dazu gegeben?
Ich war damals in Ungarn und habe täglich erlebt, wie tausende Menschen über die Grenze flüchteten. Ich wollte unbedingt helfen und habe versucht, mein wissenschaftliches Netzwerk zu aktivieren, um Spenden zu sammeln. Viele meiner Kollegen auf der ganzen Welt haben mich sofort unterstützt. Wir haben uns vor Ort eine Hilfsorganisation als Partner gesucht, um einschätzen zu können, wie wir mit unseren Spenden am besten helfen können.
Wie wird das Geld nun in der Ukraine verwendet?
Am Anfang ging es um ganz elementare Hilfe, um die Not zu lindern. Dann wurde immer klarer, dass wir im Bildungsbereich unterstützen wollen. Viele Schulen in der Westukraine waren damals für Geflüchtete aus dem Osten des Landes zu Unterkünften umfunktioniert worden. Viele Kinder konnten deshalb nicht mehr zur Schule gehen, es wurde auf Online-Unterricht umgeschaltet. Viele Familien hatten dafür zu Hause aber nicht die nötige Ausstattung. Wir haben Netzwerke mit den Lehrern vor Ort organisiert und in den Siedlungen Stützpunkte mit Laptops aufgebaut, in denen sich die Kinder zum Online-Unterricht treffen konnten. Aktuell wird das nicht mehr so intensiv genutzt, es könnte aber bei Bedarf jederzeit reaktiviert werden.
Wie werden die Spenden denn heute eingesetzt?
Wir haben eine Art Nachhilfeprogramm aufgebaut. Ukrainische Lehrer helfen den Kindern beim Lernen. Das ist für die Familien kostenlos. Und es hilft nicht nur den Schülern. Die Lehrer in der Ukraine waren schon vor dem Krieg nicht gut bezahlt, dann kam die gigantische Inflation. Umgerechnet verdienen die Lehrer pro Monat 200 bis 300 Euro. Wir bezahlen die Lehrer, die sich im Nachhilfeprogramm engagieren. Mit zehn bis 20 Stunden können sie ihr Monatseinkommen verdoppeln. Aktuell können wir mit den Spenden fünf Schulen mit rund 1000 Kindern unterstützen. Gerade in einer Schule nahe der Frontlinie ist seit langer Zeit nur noch Online-Unterricht möglich. Dort ist der Bedarf an Nachhilfe sehr groß.
Wie schwer ist es, dafür Unterstützer zu finden?
Wir sind für jede noch so kleine Spende dankbar. Den Großteil des Geldes habe ich bisher selbst gespendet. Auch von dem Geld, das ich für den Nobelpreis bekommen habe. Gerade versuchen wir, auch größere Geldgeber für unsere Projekte in der Ukraine zu gewinnen. Bisher haben wir leider nur eine kleine Gruppe Spender, die sind aber sehr spendabel. Ich habe einen Kollegen an der University of California in Berkeley, der unaufgefordert alle sechs Monate 1000 Dollar überweist.
Hilft Ihnen Ihre Bekanntheit als Nobelpreisträger dabei, Unterstützer zu finden?
Ja, ich versuche das zu nutzen, so gut ich kann.
Warum ist diese Hilfe für Sie so ein Herzensthema?
Ich würde am liebsten Kindern auf der ganzen Welt helfen. Weil das nicht geht, versuche ich dort zu helfen, wo die Not gerade sehr groß ist. Das gehört auch zur Mission der Wissenschaft. Wir wissen, dass wir große Ziele nicht allein erreichen können, dass sie über Generationen fortgesetzt werden muss. Aber die nächsten Generationen von Wissenschaftlern wird es nur geben, wenn Kinder mit Interessen und Begabungen überall Chancen bekommen. Es könnte sein, dass der nächste Einstein in der Ukraine geboren wurde.
Wie viel Rückhalt bekommen Sie von anderen Nobelpreisträgern?
Viel! Ich habe Anfang des Jahres eine Petition in der Nobel-Community gestartet. Sie ist ein Aufruf an die Staats- und Regierungschefs der EU, die in Europa eingefrorenen Mittel der russischen Zentralbank für den Wiederaufbau der Ukraine freizugeben bzw. die rechtlichen Möglichkeiten dafür zu schaffen. Die Hälfte der lebenden Nobelpreisträger ist meiner Initiative gefolgt, ich habe 130 Unterschriften bekommen. Diese Petition haben wir an alle 27 europäischen Regierungschefs geschickt. Um noch mehr Druck zu machen, ist die Petition nun auch öffentlich auf der Seite www.peace4europa.com, jeder kann unterschreiben. Um der künftigen Generation in der Ukraine eine Hoffnung zu geben, muss der Wiederaufbau so schnell wie möglich beginnen.
Das Spendenkonto
der Organisation Science 4 People lautet DE41 7025 0150 0023 0717 31.