Die Klinik am Europakanal in Erlangen, wo R. zuletzt behandelt wurde und wohin er nun nicht zurückkehrte. © NEWS5
Vermummt und schwer bewacht erschien Georg R. 2010 vor Gericht. © David Ebener/dpa
Erlangen – Er bekam Ausgang, kam aber nicht mehr zurück: Die Polizei fahndet nach einem Mann aus einer Psychiatrie in Erlangen. Georg R. hatte im September 2009 als 18-jähriger Gymnasiast mit Molotowcocktails und einem Beil seine Schule gestürmt. Bei seiner Attacke im Gymnasium Carolinum in Ansbach verletzte er damals 15 Mitschüler und Lehrer zum Teil schwer. Erst mit drei Schüssen konnte er gestoppt werden.
Der Attentäter hatte seine Tat damals mit seinem 80-seitigen Dossier vorab skizziert. Ermittler fanden es später auf seinem Computer. Als Grund für den Amoklauf im dritten Stock der Schule gab er an, er sei als Sechstklässler mehrfach verprügelt worden. Er hasste das „System Schule“ und wollte wohl auch mit einem aufsehenerregenden Schulmassaker in die Geschichte eingehen. Ein Gutachter attestierte ihm eine schwere schizoide Persönlichkeitsstörung.
Wegen versuchten Mordes in 47 Fällen wurde Georg R. im Mai 2010 vom Landgericht Ansbach zu neun Jahren Jugendhaft verurteilt. Zudem ordnete der Richter an, den bei der Urteilsverkündung 19 Jahre alten Täter nach der Haft auf unbestimmte Zeit in die Psychiatrie einzuweisen.
Danach hörte die Öffentlichkeit nichts mehr von Georg R. – bis zum gestrigen Montag. Da wurde bekannt, dass R. nach einem unbegleiteten Ausgang nicht mehr in die Klinik für Forensische Psychiatrie am Europakanal in Erlangen, wo er mittlerweile behandelt wurde, zurückgekehrt war. „Wir wurden Sonntag früh kurz nach Mitternacht informiert“, bestätigte ein Polizeisprecher unserer Zeitung. Gegen 23 Uhr hätte R., der heute 34 Jahre alt ist, in der Klinik wieder auftauchen müssen.
Die Klinik kann aus Datenschutzgründen zu ihrem Patienten nicht viel sagen – zum Beispiel auch nicht, welche Diagnose es aktuell zu ihrem Patienten gibt. Nur so viel: „Wir können bestätigen, dass am Samstag ein Patient von einem genehmigten Tagesausgang nicht zur vereinbarten Uhrzeit in die Klinik zurückgekehrt ist“, sagt die Sprecherin der Bezirkskliniken in Mittelfranken, Karin Schulz.
Diese Tagesausgänge seien Teil der Therapie und fanden bei Georg R. bereits seit Beginn des Jahres regelmäßig statt, „stets ohne Vorkommnisse und Beanstandungen“, wie Schulz betont. Vor unbewachten Ausgängen werde mit den Patienten auch stets besprochen, wo sie sich aufhalten wollen. So sei es auch mit R. gehandhabt worden.
Nun läuft die Fahndung – allerdings auf einem relativ niedrigschwelligen Niveau, wie das Polizeipräsidium Mitelfranken betont. Georg R. sei als flüchtig in die Fahndungscomputer der Polizei eingespeist worden. „Jede Polizeistreife, die den Mann überprüft, wird feststellen, um wen es sich handelt“, sagt der Sprecher. Doch es gebe keine Öffentlichkeitsfahndung etwa mit einem aktuellen Foto des Gesuchten oder speziellen Suchtrupps. „Dazu gibt es keinen Anlass“, so der Sprecher. Man verlasse sich dabei auf die Einschätzung der Klinik, wonach von dem Mann keine Gefahr ausgehe.
Das nähere Umfeld des Mannes und mehrere Adressen seien bereits überprüft worden, dort habe man den Mann aber nicht angetroffen. DIRK WALTER