Lockversuche in der Pflege

von Redaktion

München Klinik denkt über Vier-Tage-Woche nach

In der Anästhesie wären Vier-Tage-Wochen für die Pflegekräfte der München Klinik denkbar. © picture alliance

München – Als Petra Geistberger in den 80er-Jahren ihre Ausbildung in der Krankenpflege machte, waren Zehn- oder Zwölf-Stunden-Schichten nichts Ungewöhnliches, erinnert sie sich. Schon damals gab es Pflegekräfte, die durch die längeren Arbeitstage auf nur vier statt fünf Arbeitstage pro Woche kamen – besonders im OP und Nachtdienst. „Und seit einiger Zeit erlebt die Vier-Tage-Woche in der Pflege so etwas wie eine Renaissance“, sagt sie.

Die orthopädische Schön Klinik in Harlaching macht damit seit einem Jahr wie berichtet so gute Erfahrungen, dass das Angebot für die Pflegekräfte ausgeweitet wird. Dort gibt es mittlerweile mehr Bewerbungen als offene Stellen in der Pflege und auch die Zahl der Krankheitstage ist laut Klinik deutlich zurückgegangen. Die Barmherzigen Brüder in München testen ebenfalls seit knapp zwei Jahren ein Vier-Tage-Modell im Intensivbereich. Dort hat sich Petra Geistberger bereits nach den Erfahrungen erkundigt. Denn mittlerweile ist sie Geschäftsführerin und Arbeitsdirektorin der München Klinik und verantwortlich für den Bereich Personal und Pflege. „Bereits seit einem Jahr fragen wir ab, wer Interesse an der Vier-Tage-Woche hätte“, sagt Geistberger. Allerdings soll das Pilotprojekt an der München Klinik erst starten, wenn der Umzug in die neuen Häuser in Bogenhausen und Harlaching bis Ende des Jahres abgeschlossen ist.

In manchen Lebensphasen kann die Vier-Tage-Woche sehr attraktiv sein, das weiß Geistberger. Zum Beispiel für junge Pflegekräfte, die sich durch längere Schichten mehr freie Tage im Monat erarbeiten. Oder für Mütter kleiner Kinder und Alleinerziehende. Sie hätten dadurch weniger Arbeitstage, für die sie eine Kinderbetreuung organisieren müssen. Mitarbeiter mit weiter Anfahrt sparen sich nicht nur Zeit, sondern auch Geld, wenn sie länger, aber dafür weniger Tage pro Woche arbeiten.

Grundsätzlich sei das Modell nicht nur in Fachkliniken denkbar, sondern auch in Kliniken mit Rund-um-die-Uhr-Versorgung, sagt sie. An den fünf Standorten der München Klinik wäre das für 3000 Pflegekräfte möglich, beispielsweise in der Anästhesie. Voraussetzung dafür ist Freiwilligkeit, betont Petra Geistberger. Auch der Rest des Teams müsse bereit sein, sich auf einen Dienstzeitmix einzulassen. „Und die, die den Dienstplan erstellen, müssen ebenfalls bereit dazu sein.“ Denn das würde durch die unterschiedlich langen Schichten noch anspruchsvoller. „Eine Vier-Tage-Woche zu planen würde für ein 70-köpfiges Team etwa eine Arbeitswoche dauern, da Dienstplanwünsche berücksichtigt werden müssen.“

Über die Voraussetzungen, die für eine Vier-Tage-Woche erfüllt sein müssen, hat Geistberger vor Kurzem auch den Münchner Stadtrat informiert. Die CSU und die Freien Wähler hatten sich danach erkundigt. Die Stadt ist alleinige Gesellschafterin des Klinikverbundes. Die München Klinik habe bereits sehr viele Arbeitszeitmuster, erklärt Geistberger auf die Anfrage hin. So sei denkbar, dass sich nur einzelne Stationen für Zwölf-Stunden-Schichten entscheiden können. Häufig würde es auch auf zehn Stunden pro Tag hinauslaufen, erklärt sie. Und aus ihrer eigenen Erfahrung weiß sie, dass das in der funktionalen Pflege gut zu bewältigen ist. In Bereichen, in denen die Belastung und der Versorgungsdruck enorm groß sind, würde sie Zwölf-Stunden-Schichten aber vermeiden.

Sie betont aber auch: „Die Vier-Tage-Woche ist nur ein Baustein von vielen, um Personal an die München Klinik zu binden.“ Pflegekräfte möchten Wertschätzung und von anderen Berufsgruppen auf Augenhöhe behandelt werden. Außerdem möchten sie die Voraussetzungen, um Patienten so versorgen zu können, dass sie ihren eigenen Qualitätsanspruch erfüllen. Deshalb baut die München Klinik größere, stabilere Teams auf, erklärt Geistberger. „Wir schaffen auch einen Springer-Pool, um kurzfristige Ausfälle auffangen zu können.“ Außerdem sollen Pflegekräfte in der München Klinik zusätzliche fachliche Aufstiegsmöglichkeiten bekommen. „Sie können für bestimmte Bereiche Experten werden, zum Beispiel für Diabetes“, erklärt sie. All diese Ansätze würden sich bereits bemerkbar machen. „Wir bekommen mehr Bewerbungen für Stellen in der Pflege und konnten Personal aufbauen, müssen aber weiterhin offene Stellen besetzen.“ KATRIN WOITSCH

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